Der Höllenbote (German Edition)
hörte er, wie die Tür oben geöffnet wurde und Schritte die Treppe herunterkamen.
Schnell hob Sarah einen Karton auf und tat beschäftigt. Jane Ryan kam zu ihnen.
»Ich glaube, das waren alle Kartons mit Ersatzteilen, Jane«, meinte Sarah. Sie stellte den Karton ab. »Martin und ich haben alle runtergetragen.«
»Danke«, erwiderte Jane abwesend. »Wo steckt Martin?«
»Hier«, meldete er sich.
Sofort setzte Jane ein finsteres Gesicht auf. »Martin, ich hab Ihnen doch gesagt, dass Sie Ihr Hemd ...« Mit ungläubigem Blick beugte sie sich vor. »Ist das ein Flachmann in Ihrer Hand?«
Scheiße! Jetzt hatte sie Martin kalt erwischt. Er hielt immer noch den Whiskey in der Hand. Er schrumpfte innerlich zusammen, gab sich nicht einmal die Mühe, ihr zu antworten.
»Mein Gott, Martin!«, rief Sarah. »Das hast du also da hinten in der Ecke gemacht!« Sie drehte sich zu Jane um. »Jane, ich schwöre Ihnen, ich wusste nicht, dass er hier unten trinkt.«
»Ich verstehe«, antwortete Jane. »Aber dieses Problem haben wir schon länger.« Sie wandte sich an Martin. »Ich habe Ihnen jede Chance gegeben, die ich verantworten konnte, aber es nützt nichts. Mir bleibt nichts anderes übrig, als sie vom Dienst freizustellen und eine Entlassungsanhörung anzusetzen. Haben Sie mich verstanden?«
Martin verstand nur, dass er schon wieder von einer Frau fertiggemacht wurde. Immer waren es Frauen. Heimtückisch. Hinterhältig. Selbstsüchtig. Er kochte vor Wut. Er zitterte. Er wollte unter sein Hemd greifen und das Messer zücken ...
Aber er schaffte es nicht.
»Gehen Sie nach Hause, Martin«, wies Jane ihn an. »Sie bekommen Bescheid, wann die Anhörung stattfindet. Aber Sie können sich die Sache wesentlich erleichtern, wenn Sie von sich aus kündigen.«
Martin konnte nichts sagen. Er zitterte.
»Und ich hoffe für Sie, dass nicht Sie es gewesen sind, der letzte Nacht in mein Schlafzimmerfenster geglotzt hat ...«
Martin öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Jane ging nach oben.
»Du hast es vermasselt, Martin«, sagte Sarah in die Stille hinein. »Das war deine letzte Chance. Warum hast du es nicht getan?«
»Du hättest sie festhalten müssen, du hättest sie nicht gehen lassen dürfen!«, winselte Martin.
»Immer eine Ausrede, wie dein ganzes jämmerliches Leben.«
Martin war es leid, dass Frauen ihn ständig als Versager bezeichneten. Verdammt leid.
Er zog sein Messer.
»Das wagst du sowieso nicht.«
»Glaubst du?«, schnaubte er.
»Der Bote hat dich verlassen. Du bist seiner Gnade nicht würdig. Du verschwendest seine Zeit.«
Martin stieß mit dem Messer zu. Sarah schlug es ihm aus der Hand und verpasste ihm eine Ohrfeige.
»Du bist eine Schande.«
Sie packte Martin am Haar und zerrte ihn über den Kellerboden. Er plärrte wie ein Baby. Schließlich ließ sie ihn an der Wand fallen, unmittelbar vor etwas, das wie ein alter Kriechgang oder Stauraum aussah.
»Sieh dort hinein, Martin ...« Sarahs Stimme klang kaum noch menschlich. Etwas verzerrte ihre Gesichtszüge, etwas unendlich Grauenhaftes. Ihre schlanken Finger wirkten doppelt so lang, wie sie eigentlich sein sollten, mit langen nagelartigen Krallen. Ihre Augen funkelten riesig und schwarz.
Sie zeigte auf die Öffnung des Kriechgangs.
Als Martin hineinschaute, schrie er so sehr, dass sein Herz stehen blieb. Etwas dort drinnen – etwas mit langen, blassen Armen – packte ihn am Kopf und zog ihn ins Innere.
Kapitel 13
(I)
Was für ein Tag! Jane saß frustriert hinter ihrem Schreibtisch. Und was für eine Nacht.
Der zweite Gedanke entpuppte sich als wesentlich erfreulicher als der erste. Es sah so aus, als hätte sie ganz plötzlich einen Freund, einen Liebhaber – oder was auch immer. Vielleicht war es für ihn nur ein One-Night-Stand . So lief es doch heutzutage auf der Welt, vor allem in Florida. Immer nur flüchtige Abenteuer. Alles drehte sich nur darum, den Augenblick zu genießen, Spaß zu haben. Jane hoffte, dass es sich in diesem Fall anders verhielt, aber sie wusste auch, dass sie momentan sehr verletzlich war. Die letzte Nacht war so schön gewesen, dass sie fast ein schlechtes Gewissen hatte. Sie fühlte sich, als hätte sie Matt noch im Tod betrogen. Es war der beste Sex ihres Lebens gewesen.
Mach dir keine zu großen Hoffnungen, sagte sie sich. Sei nicht naiv. In einer solchen Situation geschah es nur zu leicht, dass man sich naiv verhielt. Seit der Nacht, in der Matt ermordet worden war, hatte sie nicht mehr mit einem Mann
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