Der Höllenbote
nur die Straßen, die man extra für sie aufpoliert hatte und wo es die echt chinesischen Speiselokale gab, die gar nicht so echt waren, und Gerichte auf den Tisch kamen, die allein aus Dosen stammten und schnell aufgewärmt würden.
Da wollte Suko nicht hin.
Sein Ziel lag dort, wo es den feinen Touristen zu schmutzig war und die Arbeitslosigkeit hohe Wellen schlug. Hier lebten die Chinesen, die an den Fremden keinen Penny verdienten und eigenen Geschäften nachgingen, die man zum großen Teil als illegal, wenn nicht verbrecherisch bezeichnen konnte.
Hier kannte man auch noch die alten Geschichten, glaubte an Uberlieferungen und betete finstere Dämonen an, wobei sich zahlreiche Banden gebildet hatten, die zum Teil noch heute Menschenopfer darbrachten. Es fiel kaum einem auf, wenn ein Chinese verschwand. Viele waren sowieso illegal eingewandert.
Wo zwischen den älteren Steinhäusern noch Platz war, hatte man die Lücken gefüllt. Auch mit Häusern, allerdings aus Holz und Resten errichtet. Hier hausten die Ärmsten der Armen. Zu den oft hinter den Häusern liegenden Höfen gab es keine Eingänge, Durchfahrten oder Schläuche, man mußte erst die Häuser betreten, um durch sie in den Hof zu gelangen.
Die Adresse, die Suko suchte, kannte er nicht. Er erfuhr sie nach einigem Fragen. Da er selbst Chinese war, bekam er auch Auskunft. Einen Weißen hätten die Asiaten unter Umständen ganz woanders hingeschickt.
Einen schmalen Kanal mußte der Inspektor überqueren. Die Reifen rollten dabei auf Holzboden. Von rechts her trieb der Wind Küchendünste an seine Nase. Die drangen aus einem alten Hausboot, das so aussah, als würde es jeden Moment zusammenbrechen und sinken.
Und das war auch sein Ziel.
Hinter der primitiven Brücke begann ein schmaler ungepflasterter Weg. In einer ziemlich engen Kurve führte er bergab, auf eine Uferbefestigung zu, wo auch der Steg vom Hausboot aus endete.
Vor dem Steg hielt Suko an. Er bockte seine Maschine auf und nahm den Helm ab.
Hinter ihm befand sich ein Hang, auf dem einige Grasflecken ein karges Dasein fristeten. Wo er zu Ende war, sah Suko die Rückfronten bescheidener Häuser und schuppenartiger Gebäude.
Obwohl er kaum einen Menschen sah, glaubte er doch, von zahlreichen Augen beobachtet zu werden. Es gehörte eben dazu, und darin waren die Chinesen Meister. Sie sahen, ohne gesehen zu werden. Das wußte auch Suko. In Anbetracht der Lage spürte er ein unangenehmes Gefühl im Rücken, als er über den Steg auf das Hausboot zuschritt. Die Gerüche drangen aus einem schmalen Schornstein. Die Rauchfahne dort war graublau.
Das Holz bewegte sich unter seinen Füßen. Vor sich sah er einen schmalen Mann, der gebeugt dastand und sein Haar zu einem Zopf zusammengeflochten hatte.
Er gehörte zu den Landsleuten, die mit der Tradition noch stark verwurzelt waren. Suko stand ihnen skeptisch gegenüber, denn sie konnten sehr konservativ sein.
Der Chinese verbeugte sich. »Man hat mir gesagt, daß du auf einem Motorrad kommst, Suko. Ich heiße dich in meinem bescheidenen Heim herzlich willkommen.«
Auch Suko senkte den Kopf. Er machte das Spiel mit und fragte dann nach dem Namen des Mannes.
»Ich bin nur ein unwürdiger Mensch und heiße Lai Ti Jan. Ein Name, den man schnell vergißt.«
»Aber Shao ist bei dir.«
Da richtete sich der Mann auf und nickte. Sein Gesicht schien nur aus Runzeln zu bestehen. Die Augen waren sehr eng geschlitzt, und Suko hatte den Eindruck, als würde er grinsen.
»Ja, die von dir so Gesuchte befindet sich bei mir.«
»Und wie geht es ihr?«
»Du wirst sie gleich sehen. Komm erst einmal mit, wir haben dich erwartet.«
Der Mann ging vor. Gebeugt, unterwürfig. Suko paßte dies nicht. Und er betrat ein Schiff, das ihm wie eine Falle vorkam. Hier lauerte das Unheil!
Suko spürte es. Die alten Wände atmeten Angst und Schrecken aus. Die Bohlen unter seinen Füßen drückten sich durch, wenn er sie belastete. Es gab kleine Türen, Wände aus dünnem Holz, und von irgendwoher vernahm er Stimmen.
»Das sind meine Söhne!« kicherte der Alte.
»Geh weiter!« forderte Suko.
Lai Ti Jan blieb trotzdem stehen. »Wir brauchen nicht mehr weiter, sondern nur in die Tiefe. Dort liegt deine Shao.«
»Und wie kommt sie dahin?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Suko drehte seine Finger in das fleckige, ehemals blaue Hemd des Mannes. Lai Ti Jan machte die Bewegung zwangsläufig mit, so daß er Suko ins Gesicht schauen mußte.
»Hör zu, Alter, ich kann
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