Der Höllenbote
der Schwärze auf, und sein unter dem Kopf beginnender, schwellender Frauenkörper schimmerte bleich und kalt wie steifes Fett. Er besaß tatsächlich die Formen einer Frau. Zusammen mit dem häßlichen Ziegenschädel bot er einen schrecklichen Anblick.
»Die Zeit der Rache ist endlich gekommen«, begann er und schaute den letzten Reiter an.
Eingehüllt in einer grünlich schimmernden Wolke aus Schwefel hockte er im Sattel seines dämonischen Pferdes. Die Rüstung war schwarz, von seinem knöchernen Gesicht war kaum etwas zu sehen, da es im Schatten lag. In der Hand hielt der Reiter eine Lanze, die für John Sinclair gedacht war und ihn hätte durchbohren sollen.
»Kann ich ihn töten?« klang die dumpfe Stimme des Reiters auf.
»Ja und nicht nur ihn. Auch die Schöne aus dem Totenreich.«
»Aber sie hat das Schwert.« So wie der Reiter von dieser Waffe sprach, mußte er sich fürchten.
»Das wissen wir. AEBA ist zwar geschlagen worden, aber nicht tot. Und das wird auch Kara merken. Du allein wirst dir das Schwert holen und deinen Rachefeldzug beginnen. Ich habe mich mit meinen Brüdern zusammengesetzt und den raffinierten Plan geschmiedet. Niemand wird darauf kommen, daß du dahintersteckst. Denn du bist unser Höllenbote. Aber damit die Menschen auf dich hereinfallen und vor allen Dingen unsere Feinde, müssen wir dich verändern. Niemand soll wissen, wer sich hinter der Maske des Todesboten verbirgt. Niemand…« Eurynome lachte geifernd und schaute auf das knallrote E, das die Brust des Horror-Reiters zierte. »Keiner wird es erfahren.«
»Was soll ich tun?«
»Das werde ich dir alles sagen. Gib genau acht…«
***
Als noch niemand daran dachte, die chinesische Mauer zu bauen, da lebte in einem wilden, von Menschen fast unerforschten kahlen Gebiet ein Eremit.
Versteckt in einer rauhen unwirtschaftlichen Landschaft ging er einem Leben nach, das nur darauf konzentriert war, die Kräfte des Jenseits zu erforschen.
Der Mönch hieß Sua Ku und war ein sehr weiser Mann. Er wußte, daß es Dinge gab, an denen man nie rütteln sollte, daß die Dämonen überall auf der Welt ihre Spuren hinterlassen hatten und daß man ein waches Auge besitzen mußte, um die Spuren zu finden. Er besaß so ein Auge.
Es war in einer sturmgepeitschten Nacht, als er über einen schmalen Gebirgspfad schritt, um zu seiner Höhle zu kommen. Trotz der Dunkelheit leuchtete der Himmel schwefelgelb. In der Ferne vereinigten sich die Blitze zu gewaltigen silbernen Netzen, die aussahen, als wollten sie die gesamte Welt umspannen.
Ein mächtiges Gewitter tobte, und die Kräfte der Natur verschafften sich freie Bahn.
Sua Ku wußte genau, daß es lebensgefährlich sein konnte, wenn er in diese Hölle hineingeriet. Bis zu seiner Höhle war es zu weit, deshalb hielt er nach einer Stelle und einem Ort Ausschau, wo er sich so lange verbergen konnte, bis das Gewitter vorüber war.
Trotz der Dunkelheit wußte er, wo er sich befand. Und er wußte ferner, daß er höher in die Berge mußte, denn dort gab es Höhlen und versteckte Schluchten, die nur er kannte und die ihn aufnehmen würden. Sua Ku war alt. Die Monde, die er gesehen hatte, konnte er nicht mehr zählen, aber er fühlte sich nicht alt. Wenn irgendwann seine Seele in die große Unendlichkeit des Nirwana eingehen sollte, bekam er früh genug Bescheid. Noch wollte der Tod ihn nicht, und er würde ihm auch so trotzen wie dem Gewitter, das näher und näher kam. Der Sturm nahm zu.
Er heulte, tobte und pfiff durch die Schluchten und Täler. Er fing sich an den Berggipfeln und spielte mit den gewaltigen grauen Wolken wie die Kinder in den Dörfern mit ihren Bällen aus Stoff. Es hatte lange nicht mehr geregnet. Von der hinter den Bergen liegenden Wüste waren Sand und Staub bis hoch gegen die Gipfel geweht worden, hatten sich dort abgesetzt, und erst ein neuer Sturm wühlte alles wieder auf.
Wie riesige Tücher lag der Staub in der Luft. Manchmal wurde er so dicht, daß der einsame Wanderer die Blitze nicht einmal mehr ahnen konnte und das Heulen des Orkans sogar den dumpfen Donner in der Ferne verschluckte.
Der Sand prasselte gegen seinen Körper und das sackähnliche Gewand, das er trug. Er hieb wie 1000 winzige Pfeile gegen die an Leder erinnernde und von Wind und Wetter gezeichnete Gesichtshaut des Mannes, der sich jedoch nicht beirren ließ und mit geschlossenen Augen seinem Ziel entgegenkletterte.
Seine Hände waren wie die Greifklauen eines Adlers. Zielsicher fanden sie in den
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