Der Höllenbote
manchen Spaß vertragen, doch wenn es um Menschenleben geht, dann hört bei mir der Humor auf. Das solltest du dir merken.«
»Schon gut, schon gut…« Der Alte schielte auf Sukos Hand. »Jetzt laß mich los, denn ich muß eine Klappe öffnen, denn Shao liegt dort unten im Bauch des Schiffes.«
Suko löste seine Hand. Wieder wurde er an die Teufelsdschunke erinnert. Dort hatte er auch in den Schiffsbauch gemußt und hatte Shao aus den Klauen eines Schlangenmonsters befreit. Mit jener Bande schien er es hier nicht zu tun zu haben.
Mit erstaunlicher Kraft zog der alte Chinese die Klappe hoch und deutete mit der mageren Hand auf das viereckige Einstiegsloch, wo eine Holzleiter begann, die in den Schiffsbauch führte. Suko hatte mit Dunkelheit gerechnet und wurde angenehm enttäuscht. Am flackernden Lichtschein erkannte er, daß es sich um Kerzen handeln mußte, die dort aufgestellt waren.
»Du zuerst!« verlangte der Inspektor.
Lai Ti Jan lächelte und nickte. »Du bist der Gast, ich habe dir zu gehorchen.«
»Laß die Sprüche.«
Suko traute diesem Mann nicht. Wahrscheinlich steckte er mit dem Yuisan unter einer Decke, überhaupt kam ihm alles sehr merkwürdig vor, und er beschloß, noch mehr auf der Hut zu sein. Auch vor Lai Ti Jan, denn der Alte stieg mit einer Behendigkeit die Leiter hinab, die ihm wohl niemand zugetraut hätte.
Vor der Leiter blieb er stehen und winkte dem Inspektor. »Komm zu mir, sonst dauert es noch länger.«
Suko schaute noch einmal zurück. Hinter ihm war es frei. Er sah auch den Steg, hörte das Glucksen des Wassers und nahm wieder diesen übelriechenden Küchendunst wahr.
Dann kletterte er ebenfalls nach unten.
Der Alte war ein wenig zur Seite getreten, damit Suko Platz hatte. Er stand so, daß das Kerzenlicht gegen ihn fiel und sein Gesicht mit Licht und Schatten übergoß.
Suko war vorsichtiger. Er schaute sich schon um, als er noch auf den Stufen stand.
Der Stauraum unter Deck war durch einen Vorhang in zwei Hälften geteilt worden. Der Vorhang reichte bis zum Boden und befand sich links von Suko.
Von Shao sah er nichts. In der rechten Hälfte hielt sich der Alte auf, umrahmt von Kerzen, die in eisernen Leuchtern steckten. Suko sprang die letzten beiden Sprossen hinunter und wandte sich Lai Ti Jan zu. »Wo ist sie?«
Leider hatte Suko im Rücken keine Augen, deshalb sah er nicht, wie sich der Vorhang bewegte. Zudem war der Stoff ziemlich schwer, er raschelte nicht gegeneinander. Wo die beiden Hälften zusammenliefen, entstand ein Spalt. Und aus ihm schob sich die bläulich schimmernde Mündung einer Maschinenpistole, die plötzlich Sukos Nacken berührte, so daß der Chinese zusammenzuckte.
Gedämpft nur hörte er die weibliche Stimme, die einen Befehl zischte:
»Ich halte hier eine Maschinenpistole in der Hand. Wenn du dich rührst, zerschieße ich dir deinen Schädel…«
***
An einen Bluff glaubte Suko nicht, deshalb blieb er stumm und steif stehen, wobei in seinem Innern eine Hölle aus Wut und Zorn tobte, weil er sich hatte so überraschen lassen. Doch eine Falle!
Der Mündungsdruck war zuerst kalt gewesen. Jetzt erwärmte sich das Metall, und Suko spürte auch den Schweiß auf seiner Haut. Sein Magen zog sich zusammen. Eine Frau hatte gesprochen. Einen Satz nur, die Stimme allerdings hatte er nicht erkennen können. Es war keine Bekannte wie Lady X aus der Mordliga.
Der Alte stand vor ihm und lächelte. Eigentlich lächelte er immer, aber diesmal kam dem Chinesen das Lächeln noch bösartiger vor. Lai Ti Jan war eben ein eiskalter Hund, durchtrieben bis in den letzten Zehennagel. Vielleicht hätte Suko trotz allem noch etwas versucht, doch er dachte an Shao, die er noch immer nicht gesehen hatte und jetzt vielleicht auch nicht mehr sehen würde, denn es bestand durchaus die Möglichkeit, daß sie überhaupt nicht hier und die Falle allein für ihn gedacht war. Am veränderten Druck der Mündung erkannte er, daß sich die Person hinter ihm bewegte. Noch preßte sie die Waffe gegen Sukos Hals, auch als er ihre Schritte hörte, die schleifend über den Boden rutschten, änderte sich nichts.
Dann verschwand der Mündungsdruck. Suko schaute nach links und sah zum erstenmal seine Gegnerin. Nein, das war keine alte Bekannte. Er schätzte sie auf vierzig Jahre. Das Haar trug sie kurz geschnitten und als Lockenfrisur. Ihr Gesicht war rund und hübsch. Als beherrschend darin empfand Suko den Mund. An den Ohrläppchen blitzten zwei kleine goldene Ringe. Die Frau trug
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