Der Hof (German Edition)
Bewegungen in einem der Stieltöpfe. Sie schenkt mir ein flüchtiges Lächeln.
«Setz dich.»
Ich gehe zum Tisch, der mit vier Tellern gedeckt ist, und ziehe einen der unterschiedlichen Stühle hervor.
«Das ist Papas», sagt Gretchen.
Sie bleibt neben dem Tisch stehen, und ich suche mir einen anderen Platz. Bis auf die eine Gelegenheit gestern Nacht, als ich ihr gesagt habe, sie solle im Haus bleiben, haben wir seit ihrem Wutanfall vor der Scheune kein Wort mehr miteinander gesprochen. Nichts an ihrem Verhalten deutet jetzt darauf hin, dass ihr die Szene peinlich ist oder sie mir feindlich gesinnt sein könnte. Sie verhält sich einfach so, als wäre nichts passiert.
«Frag ihn, ob er einen Aperitif möchte», sagt Mathilde zu ihr.
«Ich weiß, das wollte ich gerade machen», faucht Gretchen. Sie wendet sich ungeschickt an mich. «Hätten Sie gerne einen Aperitif?»
«Das klingt gut.»
Ich werde definitiv Alkohol brauchen, um diesen Abend irgendwie durchzustehen. Schon jetzt bin ich schrecklich nervös. Ich erwarte, dass Gretchen aufzählt, was sie haben, aber sie schaut nur fragend ihre Schwester an. Mathilde hält den Blick auf die Kasserollen gerichtet.
«Wir haben Pastis.»
Ich warte, aber mehr gibt’s wohl nicht. «Pastis klingt gut», sage ich.
Arnaud kommt herein, als sie die Flasche aus dem Schrank nimmt. Er hat Michel auf dem Arm, der verschlafen und quengelig aussieht. «Was wird das denn?», fragt er und runzelt die Stirn, als er sieht, was sie macht.
Gretchen zögert, die Finger um die Verschlusskappe der Flasche Ricard gelegt. «Mathilde hat gesagt, ich soll ihm einen Aperitif anbieten.»
Arnaud schaut zum ersten Mal in meine Richtung. Ich bin sicher, dass er ihr im nächsten Moment befiehlt, die Flasche zurückzustellen. Aber er zuckt nur mit den Schultern. «Wenn er von dem Zeug Bauchschmerzen kriegen will, ist das seine Sache.»
Gretchen gießt eine ordentliche Portion in ein kleines Glas und füllt ein zweites mit Wasser. Sie stellt beide vor mich auf den Tisch. Ich lächle ihr dankbar zu und gieße etwas Wasser in die durchsichtige, bernsteinfarbene Flüssigkeit. Beide Flüssigkeiten vermischen sich in einem Wirbel und werden milchig. Ich nehme einen Schluck und spüre, wie der Schnaps warm durch meine Speiseröhre rinnt.
Arnaud beobachtet mich, als ich das Glas abstelle. «Bauchschmerzen», wiederholt er.
Ich hebe das Glas wie zu einem ironischen Toast. Bauchschmerzen oder nicht, es schmeckt besser als sein Wein. Michel beginnt, sich gereizt zu winden. Arnaud schuckelt ihn.
«Hey, hey, lass das, hörst du?»
«Er sollte längst ins Bett», sagt Mathilde und blickt von der Kasserolle auf.
«Er wollte aber noch nicht ins Bett.»
«Er ist müde. Wenn du ihn hinlegst, wird er …»
«Ich sagte, er wollte noch nicht ins Bett.»
Plötzlich ist das Simmern der Kasserollen das einzige Geräusch im Raum. Mathilde hält den Kopf gesenkt. Die Röte, die ihre Wangen überzieht, könnte genauso gut von der Hitze wie von der Wut kommen, aber vor wenigen Sekunden war sie noch nicht da. Arnaud starrt sie an. Dann hält er Michel Gretchen hin.
«Hier. Er muss gewickelt werden.»
«Aber Papa …»
«Tu, was man dir sagt.»
Mathilde legt den Löffel neben den Herd.
«Ich nehme ihn.»
«Du kochst. Gretchen kann das machen.»
«Ich würde lieber …»
Arnaud bringt sie zum Schweigen, indem er auf sie zielt, als wäre sein Finger eine Pistole. Sie senkt schließlich den Kopf und widmet sich wieder dem Stieltopf. Er gibt Gretchen ein Zeichen. «Nimm ihn.»
Gretchen stolziert mit dem Baby aus der Küche. Arnaud tritt an den Herd und schnüffelt an den dampfenden Töpfen. Er nimmt Mathilde den Löffel aus der Hand und probiert die Soße.
«Mehr Pfeffer.»
Während sie gehorsam Pfeffer aus einer Mühle hinzugibt, setzt er sich an den Tisch. Mit einem Seufzen, das fast wie ein Grunzen klingt, lässt er sich auf den Stuhl sinken. Natürlich auf seinen Stuhl. «Ich habe gesehen, dass der obere Bereich der Wand fast fertig ist», sagt er und rutscht auf der Sitzfläche herum.
Ich nehme noch einen Schluck Ricard. «Es geht voran.»
«Wie viel länger wird es dauern, bis Sie mit der Wand fertig sind?»
Ich stelle das Glas hin. Über die Zukunft möchte ich lieber nicht nachdenken. «Die eine Wand? Ich weiß nicht. Ein paar Wochen vielleicht noch.»
«Und der Rest vom Haus?»
«Das wohl noch länger. Warum?»
«Nur damit ich Bescheid weiß.»
Während wir reden, nimmt Mathilde die
Weitere Kostenlose Bücher