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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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dunkelhaarige Frau und ein junges Mädchen.
    Arnaud bemerkt meinen Blick. «Meine Frau und Mathilde.»
    «Sie sehen sich ähnlich.»
    Er nickt und starrt auf das Foto. «Gretchen kommt mehr nach mir.»
    «Ihre Frau war Lehrerin, nicht wahr?»
    Mir kommt die Frage eher unschuldig vor, aber sofort blickt er mich scharf an. Vermutlich fragt er sich, woher ich das weiß, doch er dringt nicht weiter in mich. Er nimmt die Pfeife aus der Brusttasche seines Hemds und beginnt, sie zu stopfen.
    «Als ich sie kennenlernte, war Marie Lehrerin, ja. Aber das hat sie aufgegeben. Es gab hier für sie eine Menge zu tun.»
    «Sie hat Mathilde aber noch unterrichtet.»
    Das bringt mir noch einen Blick ein. «Das wollte sie unbedingt. Englisch, Deutsch, Italienisch. Sie fand, Mathilde sollte das alles lernen. Besonders Italienisch. Wegen der italienischen Kultur.» Er zündet die Pfeife an und schmaucht mit verächtlicher Miene daran. «Für
Kultur
ist auf einem Hof kein Platz. Oder überhaupt in der realen Welt. Irgendwann hat sie das auch begriffen.»
    Sein Mund schließt sich um das Mundstück. Nichts lässt darauf schließen, ob er Zuneigung oder wenigstens Sympathie für seine Frau empfunden hat. Ich denke an das Hochzeitsfoto, das in dem verlassenen Schlafzimmer steht. Die Frau tut mir leid.
    Ich nicke zu dem Foto, das Frau und Tochter zeigt. «Wie alt war Mathilde da?»
    «Zehn oder elf. Es wurde aufgenommen, bevor Marie krank wurde.» Er nimmt die Pfeife aus dem Mund und zeigt anklagend mit dem Mundstück auf mich. Blauer Rauch kräuselt sich vom Kopfstück nach oben und erfüllt das Zimmer mit einem dichten, süßlichen Geruch. «Davon haben Sie wohl auch schon gehört, was?»
    «Ich weiß, dass sie gestorben ist.»
    «Ja, gestorben ist sie. Irgendwann dann. Eine zehrende Krankheit. Die letzten sechs Monate konnte sie das Bett nicht verlassen. Hat es mir überlassen, einen Hof mit einer bettlägerigen Frau und zwei jungen Töchtern zu führen. Die Ärzte meinten erst, es sei dies, dann, es sei das, aber sie schafften es nie, der Krankheit einen Namen zu geben. Kein Wunder, dass sie keine Behandlung fanden. Übereifrige Scheißkerle.»
    Wütend kippt Arnaud sich den restlichen Cognac hinter die Binde und steht auf. Er nimmt mein Glas, ohne zu fragen, ob ich noch will, und geht zum Schreibtisch. «Die Welt ist voller Leute, die glauben, sie wüssten es besser als Sie», sagt er und schenkt in beide Gläser nach. Er gibt mir meins und kehrt zu seinem Sessel zurück. Die Flasche hat er gleich mitgenommen. Seine Miene ist grüblerisch, als er sich die Pfeife wieder in den Mund rammt. «Es gibt immer jemanden, der glaubt, er hätte das Recht, Ihnen zu sagen, was Sie zu tun haben. Ärzte. Nachbarn. Die Polizei.» Er wirft mir einen kurzen Blick zu. «All diese Leute, die über irgendwelche Rechte labern, über Freiheit und darüber, Teil der Gesellschaft zu sein. Gesellschaft, ha! In der Gesellschaft geht es nicht um die Freiheit, sondern darum, das zu tun, was einem gesagt wird.» Er nimmt einen Schluck und knallt das Glas so heftig auf die Armlehne, dass von dem dreißig Jahre alten Alkohol etwas überschwappt. «Ein Mann hat das Recht, sein Leben so zu leben, wie es ihm gefällt. Man muss nur Sie anschauen. Sie sind ja nicht mal Franzose. Sie sind Ausländer. Engländer, aber das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf. Was weiß ich sonst über Sie? Nichts. Nur dass Sie irgendwas zu verbergen haben.»
    Ich versuche, ein Pokerface aufzusetzen, und wünsche mir, nicht so viel getrunken zu haben. Er grinst.
    «Keine Sorge. Das geht nur Sie was an. Was es auch ist, es ist mir egal. Sie behalten Ihre Angelegenheiten für sich, und ich halte es genauso. Aber was Sie auch verbergen oder wovor Sie weglaufen, eins steht fest: Sie sind besser in die Gesellschaft integriert als ich.» Arnaud nimmt noch einen Schluck und lässt mich dabei nicht aus den Augen. «Warum haben Sie die Polizei angelogen?»
    Der abrupte Themenwechsel erwischt mich kalt. «Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn ich es nicht getan hätte?»
    «Darum geht es gar nicht. Sie hätten mich richtig tief in die Scheiße reiten können wegen der Treteisen. Aber das haben Sie nicht getan. Warum nicht?»
    Ich suche nach einer unbeteiligten und beiläufigen Antwort, aber mir fällt einfach nichts ein. Also zucke ich nur mit den Schultern und überlasse es ihm, meine Antwort zu interpretieren.
    Er lächelt. «Sie und ich, wir sind uns ähnlicher, als Sie glauben. Was wissen Sie über

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