Der Hof (German Edition)
aber ich kratze trotzdem noch etwas raus. Entweder das, oder ich muss nach unten gehen. Wenn der Gendarm sich bewegt, höre ich seinen Ledergürtel und den Pistolenholster knarzen.
«Sie sind Engländer, stimmt’s?»
Ich nicke.
«Sie sprechen gut Französisch. Wo haben Sie das gelernt?»
«Ich hab einiges aufgeschnappt.»
«Wirklich? Dann haben Sie wohl ein Talent für Sprachen.»
«Ich hab in der Schule die Grundlagen gelernt.»
«Ah ja. Das wird’s sein.» Er zieht ein Taschentuch heraus und wischt sich übers Gesicht. «Wie heißen Sie?»
Ich bin versucht, einen Namen zu erfinden, aber das wird die Sache nur verkomplizieren, wenn er meinen Ausweis sehen will. Er reagiert nicht, als ich ihn nenne.
«Und was bringt Sie nach Frankreich, Sean?», fragt er.
Ich fahre mit der Kelle über die Wand, obwohl ich den Mörtel gar nicht glätten brauche. «Ich reise einfach ein bisschen.»
«Wenn Sie Tourist sind, sollten Sie aber nicht arbeiten.» Mein Gesicht brennt vom Blut, das hineinschießt. Nach einer kurzen Pause lacht er. «Keine Sorge, ich mach nur Witze. Sie waren also letzte Nacht auch hier, als es die Probleme gab?»
«In gewisser Weise.»
«In gewisser Weise?»
«Ich habe den Tumult gehört. Gesehen hab ich aber nichts.»
«Aber Sie haben gehört, was passiert ist.»
«Das war kaum zu überhören.»
Er wischt sich mit dem Taschentuch den Nacken ab. «Erzählen Sie mal, was da los war.»
«Ich habe gehört, wie Fenster zerbrachen. Dann waren Rufe zu hören, die aus dem Wald kamen. Für mich klang es so, als wären das mehrere Jungs.»
«Was genau haben sie gerufen?»
«Irgendwas über Arnaud und seine Töchter.»
«Ziemlich widerliche Sachen oder wie?»
«Nett war’s jedenfalls nicht.»
«Und wie oft hat Arnaud das Gewehr abgefeuert?»
«Hm …» Ich runzle die Stirn, als versuchte ich ernsthaft, mich zu erinnern. «Ich hab keine Ahnung.»
«Einmal, zweimal? Sechsmal?»
«Ich bin nicht sicher. Es war ein ziemliches Durcheinander.»
«Hat er in den Wald gezielt?»
«Das konnte ich nicht sehen.»
«Wo waren Sie denn, als das alles passierte?»
«Am anderen Ende vom Haus.»
«Aber Sie konnten nicht sehen, was passiert ist?»
«Es war dunkel. Bis ich dort ankam, war es schon wieder vorbei.»
«Sie sind also nicht sofort hingelaufen, um zu sehen, was da los ist?»
Ich halte meinen Fuß hoch, damit er den Verband sieht. «Nicht mit dem da.»
Selbst während ich den Fuß noch hochhalte, merke ich, dass das ein Fehler ist. Er sieht ihn an und scheint nicht im Geringsten überrascht. «Was ist passiert?»
«Bin auf einen Nagel getreten», sage ich und wünsche zugleich, ich hätte einfach die Klappe gehalten.
«Einen Nagel. Genau.»
Ein härterer Ausdruck ersetzt jetzt die oberflächliche Freundlichkeit in seinem Gesicht. Ich wende mich ab und tue so, als müsste ich die Wand mit dem eingetrockneten Mörtel verputzen.
«Wissen Sie, wer das war?», frage ich und versuche, beiläufig zu klingen. «Letzte Nacht, meine ich.»
«Vermutlich nur irgendwelche Jugendlichen aus der Gegend.» Er klingt gleichgültig. Ich bekomme den Eindruck, dass niemand Didier und seine Freunde einsperren wird, nur weil sie ein paar Steine geworfen haben. Der Gendarm setzt seine Sonnenbrille wieder auf und versteckt die kleinen Augen. «Wie lange bleiben Sie noch?»
«Bis das Haus fertig ist, nehme ich an.»
«Und dann reisen Sie weiter.»
Ich bin nicht sicher, ob das eine Frage sein soll. «Davon gehe ich aus.»
Die Sonnenbrillengläser starren weiter zu mir hoch. Ich vermute, er will noch etwas sagen, aber die Küchentür geht wieder auf, und der andere Gendarm tritt heraus. Die beiden reden miteinander, aber sie sprechen zu leise, als dass ich etwas verstehen könnte. Der Kleinere von beiden schüttelt offensichtlich verärgert den Kopf. Dann sagt der größere Gendarm etwas, und beide schauen zu mir hoch.
Ich wende mich wieder ab. Im nächsten Moment höre ich, wie sie den Hof überqueren. Ich tue weiter so, als würde ich arbeiten und fast eingetrockneten Mörtel in die Fugen schmieren, bis ich sicher bin, dass sie fort sind.
Meine Beine zittern, als ich auf das Gerüst sinke. Ich nehme den Kopf zwischen die Knie und versuche, mich nicht zu übergeben.
«Bist du da oben?»
Es ist Mathilde. Ich atme ein letztes Mal tief durch und stehe auf. Sie steht unten vor dem Gerüst und hat einen Teller mit Essen in der Hand. Der Spaniel steht neben ihr und lässt den Teller nicht aus den Augen.
«Ich
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