Der Hof (German Edition)
Kopf, um zu sehen, was das ist. In der Scheune ist es nicht hell genug, aber es fühlt sich wie ein Stück Stoff an. Vermutlich etwas, das in den Mörtel gelangt ist. Also nur ein weiteres Beispiel für Louis’ alles andere als herausragendes handwerkliches Können.
Ich verliere das Interesse und wische den Mörtel von meinen Händen. Den Stofffetzen lasse ich, wo er ist. Das höhlenartige Innere der Scheune riecht streng nach altem Holz und Weingeist. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, nach den Ereignissen dieses Tages irgendwann wieder müde zu werden, aber die Hitze und die nachlassende Anspannung sind eine gefährliche Mischung. Ich lehne den Kopf gegen den Metallkessel und starre in den sonnigen Tag jenseits der Scheunentore. Etwas trifft meinen Fuß, und einen Moment lang glaube ich, wieder in dem Fangeisen zu stecken. Dann verfliegt auch der letzte Rest Müdigkeit, und ich sehe eine verschwommene Gestalt über mir aufragen.
«Was ist?», keuche ich und kämpfe mich hoch.
Ich weiß nicht, ob ich erleichtert bin oder nicht, dass es nur Arnaud ist. Er starrt mich kalt an und hat den Fuß schon halb erhoben, um mich ein zweites Mal zu treten. Lulu wackelt aufgeregt mit dem Schwanz und blickt schuldbewusst und eingeschüchtert zugleich zu ihm hoch.
«Was tun Sie hier?», will er wissen.
Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen. «Ich mache Mittagspause.»
«Es ist schon nach vier.»
Ich sehe an ihm vorbei. Draußen hat das Licht sich verändert. Ein Dunstschleier hat sich über den Himmel gelegt, der jetzt in einem gleichförmigen Weiß erstrahlt. Die Sonne ist nur noch ein formloses, blendendes Licht.
Aber ich habe keine Lust, mich zu entschuldigen. «Keine Sorge. Das hole ich schon wieder auf.»
Fast erwarte ich, dass Arnaud dazu eine Bemerkung macht, aber er hört mir gar nicht zu. Seiner finsteren Miene nach zu urteilen, ist er in Gedanken ganz woanders.
«Mathilde sagt, die Gendarmen haben auch mit Ihnen gesprochen.»
«Einer von den beiden, ja.»
«Worum ging’s?»
«Er wollte wissen, was gestern Nacht passiert ist.»
«Und?»
«Und was?»
«Was haben Sie ihm erzählt?»
Ich bin versucht, ihn noch ein bisschen schmoren zu lassen, aber ich bin nicht mit dem Herzen bei der Sache. «Dass es zu dunkel war, um irgendwas zu erkennen.»
Arnaud mustert prüfend mein Gesicht und versucht zu ergründen, ob ich ihn anlüge. «War das alles, was sie wissen wollten?»
«Er hat gefragt, was mit meinem Fuß passiert ist.»
Sein Lächeln ist bitter. «Dann haben Sie ihm bestimmt von den Fallen erzählt, was?»
«Ich habe gesagt, ich wäre in einen Nagel getreten.»
«Hat er das geglaubt?»
Ich zucke mit den Schultern.
Seine Kiefer mahlen, als müsse er das erst verdauen. Dann dreht er sich um und geht weg. Bloß nichts Freundliches sagen, denke ich und starre auf seinen Rücken. Ich will genauso wenig wie Arnaud, dass die Polizei hier herumschnüffelt, aber ein einfaches Dankeschön wird ihn ja nicht umbringen. Er ist nur wenige Schritte gegangen, als er stehen bleibt. «Mathilde kocht heute was besonders Gutes», sagt er widerstrebend. «Sie können mit uns essen.»
Ehe ich etwas erwidern kann, ist er verschwunden.
KAPITEL 14
Der Innenhof ist schon schattig, als ich zum Haus humple. Eine einsame Henne weigert sich, mir aus dem Weg zu gehen, weshalb ich sie erst mit meinem Gehstock verjagen muss. Sie gackert und flattert, ehe sie sich wieder niederlässt und einen für mich unsichtbaren Leckerbissen aufpickt. Meine frischgewaschenen Haare kleben an der Kopfhaut, und der Bart ist feucht. Ich habe mich für diesen Anlass schick gemacht und ein frisches T-Shirt und meine sauberste Jeans angezogen. Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut und muss mich ständig daran erinnern, dass es nur ein Abendessen ist. Die vertraute Umgebung ist irgendwie fremd.
Lulu ist in den Hof verbannt worden. Sie lungert vor der Küchentür herum und freut sich wie verrückt, als ich auftauche, um sie mit hineinnehmen zu können. Die Fenster stehen offen und lassen den Geruch nach gebratenem Fleisch herausströmen. Ich hebe die Hand und erwische mich dabei, wie ich zögere. Dann erst klopfe ich an die Tür.
Gretchen öffnet mir. Sie tritt beiseite, um mich einzulassen, und verstellt gleichzeitig dem Hund den Weg, der an ihr vorbeischießen will. «Nein, Lulu!», sagt sie streng.
Die Küche ist warm und mit Essensdämpfen ausgefüllt. Kasserollen köcheln auf dem alten Herd. Mathilde rührt mit abgehackten
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