Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
offen gestanden. Aber wenn Sie uns jetzt helfen, sind wir bereit, das zu vergessen. Ich glaube, das ist äußerst fair. «
»Ich hatte recht«, sagte Holcroft, »ich verstehe Sie nicht.«
»Dann lassen Sie mich ein paar Einzelheiten aufklären, dann werden Sie vielleicht verstehen. Sie haben Nachforschungen über John Tennyson angestellt, geboren als Johann von Tiebolt, vor ungefähr sechs Jahren in das Vereinigte Königreich eingewandert. Im Augenblick ist er als Auslandskorrespondent für den Guardian tätig.«
»Der Mann in der Redaktion des Guardian« , unterbrach Noel. »Er hat Sie angerufen - oder jemanden anrufen lassen. Deshalb hat er mich hingehalten, deshalb redete er so langatmig und hat dann so unvermittelt aufgelegt. Und dieses verdammte Obst; das sollte sicherstellen, daß ich nicht wegging. Was soll das alles?«
»Dürfen wir fragen, weshalb Sie versuchen, John Tennyson zu finden?«
»Nein.«
»Sie haben erwähnt - hier und in Rio de Janeiro -, daß es um einen Geldbetrag geht...«
»Rio...! Großer Gott!«
»Daß Sie ein >Mittelsmann< sind«, fuhr der Engländer fort.
»Das war Ihre eigene Formulierung.«
»Die Angelegenheit ist vertraulich. «
»Wir glauben, daß es eine internationale Angelegenheit ist.«
»Und warum?«
»Weil Sie versuchen, einen Geldbetrag zu überbringen. Nach den üblichen Gepflogenheiten handelt es sich um Dreiviertel des vollen Betrages.«
»Wofür?«
»Für einen politischen Mord.«
»Mord?«
»Ja. In den Datenbänken der halben zivilisierten Welt gibt
es eine einzige Beschreibung für den Tinamu: >Meuchelmörder<. >Meistermeuchelmörder<, um es genau zu sagen. Und wir haben allen Grund zu der Annahme, daß Johann von Tiebolt, alias John Tennyson, der Tinamu ist.«
Noel war wie vom Blitz getroffen. Seine Gedanken rasten im Kreis. Ein Meuchelmörder! Mein Gott! War es das, was Peter Baldwin versucht hatte, ihm mitzuteilen? Daß einer der Erben von Genf ein Meuchelmörder war?
Niemand weiß das, nur ich. Baldwins Worte.
Wenn das zutraf, durfte er auf keinen Fall den wahren Grund preisgeben, weshalb er John Tennyson finden wollte. Genf würde Schlagzeilen machen; das riesige Konto würde eingefroren, die internationalen Gerichte fielen darüber her. Sein Vertrag wäre zunichte. Er durfte nicht zulassen, daß das geschah; das wußte er jetzt.
Aber ebenso wichtig war, daß seine Gründe für die Suche nach Tennyson über jeden Verdacht erhaben waren und ohne eine Beziehung zu dem Tinamu.
Der Tinamu! Ein Meuchelmörder! Das war die schlimmste Nachricht, die es geben konnte. Wenn in dem, was Mi-5 glaubte, auch nur ein Funken Wahrheit war, würden die Bankiers in Genf alle Verhandlungen abbrechen, die Safes schließen und die nächste Generation abwarten. Und doch wäre jede Entscheidung, den Vertrag auf Eis zu legen, nur ein Täuschungsmanöver. Wenn Tennyson wirklich dieser Tinamu war , dann konnte man ihn entlarven, fassen, ihn von jeder Verbindung mit Genf abschneiden, und der Vertrag bliebe unangetastet. Wiedergutmachung würde geleistet werden. Nach den Bedingungen des Dokuments war die ältere Schwester der Schlüssel; sie war das älteste überlebende Kindnicht der Bruder.
Ein Meuchelmörder! 0 Gott!
Aber eines nach dem anderen.
Holcroft wußte, daß er die Überzeugung der beiden Männer in seinem Zimmer erschüttern mußte. Er ging leicht schwankend zu einem Stuhl, setzte sich und beugte sich vor.
»Hören Sie«, sagte er, und seine Stimme klang schwach, verhehlte seine Überraschung nicht. »Ich habe Ihnen die
Wahrheit gesagt. Ich weiß nichts über irgendeinen Tinamu oder einen Meuchelmörder. Meine Geschäfte laufen mit der Familie von Tiebolt, nicht einem bestimmten Mitglied der Familie. Ich habe versucht, Tennyson zu finden, weil man mir gesagt hatte, daß er von Tiebolt sei und für den Guardian arbeite. Das ist alles.«
»Wenn das so ist«, sagte der rothaarige Mann, »dann können Sie uns vielleicht erklären, welcher Art Ihre Geschäfte sind.«
Man muß die Lüge auf einer Teilwahrheit aufbauen. »Ich werde Ihnen sagen, was ich kann, aber das ist nicht sehr viel. Einiges davon habe ich mir aus dem, was ich in Rio erfahren habe, selbst zusammengestückelt. Es ist vertraulich, und es geht tatsächlich um Geld.« Noel atmete tief und griff nach seinen Zigaretten. »Auf die von Tiebolts wartet eine Erbschaft - fragen Sie mich nicht, von wem, weil ich es nicht weiß und der Anwalt es mir nicht sagen will.«
»Wie heißt dieser Anwalt?«
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