Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
wartete, bis ein zorniger Fernfahrer eine Auseinandersetzung mit einem offenbar noch zornigeren Einsatzleiter am anderen Ende der Leitung zu Ende gebracht hatte. Nach ihm ging Noel ans Telefon, mit Gretchen Beaumonts Telefonnummer in der Hand. Er mußte herausfinden, was geschehen war, mußte versuchen, mit ihr vernünftig zu reden, falls sie wirklich zurückgekommen war. Er wählte.
»Bei Beaumont. Eine männliche Stimme.
»Mrs. Beaumont, bitte.«
»Darf ich fragen, wer spricht?«
»Ein Freund des Commanders. Wie ich höre, fährt Mrs. Beaumont heute zu ihm. Ich möchte, daß sie ihm eine Nachricht übermittelt.«
»Wer spricht bitte?«
Noel legte auf. Er wußte nicht, wer sich gemeldet hatte; er wußte nur, daß er Hilfe brauchte. Professionelle Hilfe. Möglicherweise war es gefährlich für Genf, diese Hilfe zu suchen, aber es war notwendig. Er würde vorsichtig sein — sehr vorsichtig - und herausfinden, was er konnte.
Er suchte seine Taschen nach der Karte ab, die ihm der Mann von MI-5 im Belgravia Arms gegeben hatte. Auf ihr stand nur ein Name-Harold Payton-Jones-und eine Londoner Telefonnummer. Die Uhr an der Wand zeigte zehn Minuten vor sieben; Noel war gespannt, ob sich jemand melden würde. Er wählte.
»Ja?«
»Hier ist Holcroft. «
»O ja, wir haben uns schon gefragt, ob Sie anrufen würden. «
Noel erkannte die Stimme. Es war der grauhaarige Agent aus dem Hotel. »Wovon sprechen Sie?« fragte Noel.
»Sie hatten eine schwere Nacht«, meinte die Stimme.
»Sie haben meinen Anruf erwartet! Sie waren dort. Sie haben alles gesehen!«
Payton-Jones antwortete darauf nicht direkt. »Der Mietwagen steht in einer Garage in Aldershot. Er sollte bis Mittag repariert sein. Den Namen können Sie sich leicht merken; er lautet Boot’s. Boot’s Garage, Aldershot. Die Reparatur wird nichts kosten. Keine Rechnung, keine Quittung.«
»Augenblick! Was, zum Teufel, soll das? Sie haben mich verfolgen lassen! Dazu hatten Sie kein Recht.«
»Ich würde sagen, es war verdammt gut, daß wir das getan haben.«
»Sie waren in diesem Wagen um drei Uhr heute früh! Sie sind in Beaumonts Haus gegangen!«
»Das waren leider nicht wir.« Der Mann von MI-5 machte eine kurze Pause. »Sie haben sich die nicht besonders genau angesehen, oder?«
»Nein. Was waren das für Leute?«
»Das wüßten wir auch gern. Unser Mann ist erst gegen fünf gekommen. «
»Wer ist hinter mir hergerannt? Wer hat mir eins über den
Schädel gegeben und mich auf diesem beschissenen Feld liegenlassen?«
Wieder machte der Agent eine Pause. »Darüber wissen wir überhaupt nichts. Wir wissen nur, daß Sie das Haus verlassen hatten. Offensichtlich in großer Eile und ohne Ihren Wagen.«
»Das war eine abgekartete Sache! Und ich war der Köder!«
»Richtig. Ich würde Ihnen empfehlen, vorsichtiger zu sein. Es ist sowohl geschmacklos als auch gefährlich, sich mit der Frau eines Commanders der Royal Navy einzulassen, solange ihr Mann auf hoher See ist.«
»Quatsch! Der Commander ist ebensowenig auf hoher See wie ich. Er war vor kaum zwei Wochen in einer Maschine nach Rio. Ich habe ihn gesehen! Er hat etwas mit den von Tiebolts zu tun.«
»Ganz gewiß«, erwiderte Payton-Jones, »er hat die älteste Tochter geheiratet. Aber das mit dem Flug nach Rio ist lächerlich. Er war die letzten drei Monate im Mittelmeer.«
»Nein! Ich habe ihn gesehen! Hören Sie mir zu. In dem Schlafzimmer stand eine Fotografie. Die habe ich mitgenommen. Das war er! Und noch etwas, hinten auf der Fotografie stand etwas geschrieben. In Deutsch.«
»Und was war das?«
»Ich weiß nicht. Ich spreche nicht deutsch. Aber es ist doch verdammt ungewöhnlich, finden Sie nicht?« Holcroft hielt inne. Er hatte nicht vorgehabt, so weit zu gehen. In seinem Zorn hatte er die Kontrolle über sich verloren! Scheiße!
»Was ist daran ungewöhnlich?« fragte der Agent. »Deutsch ist die Muttersprache von Mrs. Beaumont; ihre Familie hat es jahrelang gesprochen. Irgendeine Widmung für ihren Mann oder von ihm? Das ist doch nicht ungewöhnlich.«
»Ja, Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte Noel, um von dem Thema loszukommen. Dann wurde ihm klar, daß er sich zu schnell zurückgezogen hatte. Der Mann von Mi-5 war argwöhnisch; das spürte Noel bei seinen nächsten Worten.
»Aber, weil Sie es schon erwähnen, vielleicht sollten Sie uns die Fotografie bringen.«
»Das kann ich nicht. Ich habe sie nicht.«
»Ich dachte, Sie hätten sie mitgenommen?«
»Ich habe sie jetzt nicht.
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