Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Ich ... ich habe sie einfach nicht.«
»Wo sind Sie, Holcroft? Ich glaube, Sie sollten vorbeikommen und mit uns sprechen.«
Ohne die Entscheidung bewußt zu treffen, drückte Noel die Gabel herunter und schnitt damit die Verbindung ab. Die Tat ging dem Gedanken voraus, aber als es geschehen war, begriff er, weshalb er es getan hatte. Er konnte sich nicht mit MI-5 verbünden, er konnte überhaupt keine Beziehungen stärker werden lassen. Im Gegenteil, er mußte sich, soweit das möglich war, vom britischen Geheimdienst distanzieren. Es durfte überhaupt keine Verbindung geben. MI-5 war ihm gefolgt. Nachdem sie ihm versprochen hatten, ihn allein zu lassen, hatten sie ihr Wort gebrochen.
Die Überlebenden der Wolfsschanze hatten es ganz klar zum Ausdruck gebracht: Es ist damit zu rechnen, daß einige vom Genfer Unternehmen erfahren und versuchen werden, ihn zu stoppen... ihn zu töten.
Holcroft bezweifelte, daß die Briten ihn töten würden, aber immerhin versuchten sie, ihn zu stoppen. Wenn ihnen das gelang, so war das ebensogut, wie wenn sie ihn töteten. Aber die Männer der Wolfsschanze zögerten nicht. Peter Baldwin, Esq. Ernst Manfredi. Jack. Alle tot.
Die Männer der Wolfsschanze würden ihn umbringen, wenn er versagte. Und das war die schreckliche Ironie des Ganzen. Er wollte nicht versagen, weshalb konnten sie das nicht begreifen? Vielleicht noch mehr als die Überlebenden der Wolfsschanze wollte er Heinrich Clausens Traum erfüllt sehen.
Er dachte an Gretchen Beaumont, die ihren Instinkten, Gelegenheiten und Männern folgte, und an ihren Bruder, den arroganten, brillanten Journalisten, den man verdächtigte, ein Meuchelmörder zu sein. Keiner von beiden würde für Genf auch nur im entferntesten akzeptabel sein.
Blieb noch ein Kind. Helden von Tiebolt - jetzt Helden Tennyson -, augenblicklich in Paris wohnhaft. Adresse unbekannt. Aber er hatte einen Namen. >Gallimard<.
Paris.
Er mußte nach Paris. Er mußte MI-5 entkommen.
13.
In London gab es einen Bühnenarchitekten, der kurze Zeit als Innenarchitekt in wohlhabenden Kreisen auf beiden Seiten des Atlantik in Mode gewesen war. Noel argwöhnte, daß man Willie Ellis häufiger wegen seiner Persönlichkeit und seiner Talente als Plauderer einstellte als wegen besonderer Fähigkeiten als Innenarchitekt. Er hatte viermal mit Willie zusammengearbeitet und sich jedesmal geschworen, es nie wieder zu tun, aber jedesmal zugleich wissend, daß er es wahrscheinlich doch wieder tun würde. In Wahrheit empfand Noel nämlich ungemeine Zuneigung zu Willie. Der verrückte Engländer verkörperte mehr als Eleganz und Raffinement. Unter dieser Fassade fand man in stillen Momenten einen denkenden, talentierten Theatermann, der mehr über die Geschichte der Bühnenarchitektur wußte als irgend jemand, den Holcroft kannte. Er konnte faszinierend sein.
Wenn er nicht unerträglich war.
Sie waren über die Jahre in Verbindung geblieben, und jedesmal, wenn Noel in London war, nahm er sich auch Zeit für Willie. Er hatte geglaubt, daß er diesmal keine Zeit für ihn haben würde, aber das hatte sich jetzt geändert. Er brauchte Willie. Er erfragte bei der Auskunft in London die Nummer und wählte.
»Noel, mein Freund, du bist von Sinnen! Um diese Zeit schlafen doch alle, außer ein paar wild gewordenen Vögeln und den Leuten von der Straßenreinigung.«
»Ich bin in Schwierigkeiten, Willie. Ich brauche Hilfe.«
Ellis kannte die kleine Ortschaft, aus der Holcroft anrief, und versprach, sofort hinzukommen, wobei er schätzte, daß die Fahrt etwa eine Stunde dauerte. Er verspätete sich um dreißig Minuten und verfluchte die Idioten, die die Straßen unsicher machten. Noel stieg zu ihm in den Wagen, nahm Willies ausgestreckte Hand und zugleich seine charakteristischen Beschimpfungen hin.
»Du siehst ja zum Kotzen aus und stinkst wie ein Barmädchen unter der Achsel. Laß das Fenster offen und sag mir, was zum Teufel mit dir passiert ist.«
Holcroft hielt seine Erklärung knapp und einfach, nannte keine Namen und verschleierte die Fakten. »Ich muß nach Paris, und es gibt Leute, die mich daran hindern wollen. Ich kann dir nicht viel mehr darüber sagen, höchstens noch, daß ich nichts Unrechtes getan habe. Nichts, was gegen die Gesetze verstößt.«
»Ersteres ist immer relativ, nicht wahr? Und das zweite hängt gewöhnlich von der Auslegung ab und einem guten Anwalt. Soll ich annehmen, daß es um ein reizendes Mädchen und einen wütenden Ehemann
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