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Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Welborn wischte den Safttropfen von Al Mackeys Kinn. Dann schenkte er Al Mackey sein nettes, jungenhaftes Lächeln und sagte: »Wir sollten uns besser beeilen, Junge. Captain Woofer ist zur Zeit 'n bißchen reizbar.«
    Captain Woofer hatte allen Grund mürrisch zu sein. In mancher Beziehung war's ein sehr schlimmes Jahr. Ein Los-Angeles-Polizist war im Ausland eingesperrt worden, verhaftet wegen Kokainschmuggels. Ein anderer war angeschossen worden, aber nicht von einem Ganoven. Der verletzte Cop war der Ganove und niedergeschossen worden, als er versuchte, sich seiner Festnahme zu entziehen. Dann gab's einen neuen Skandal, in den Vice Cops, Sittenpolizisten, verwickelt waren; sie sollten illegale Buchmachergeschäfte gegen Bestechungsgelder gedeckt haben. Und nicht zuletzt gab's eine ungewöhnlich hohe Zahl von umstrittenen Fällen, in denen die Polizei auf unbewaffnete Verdächtige geschossen hatte, außerdem Schießereien, in denen es falsch identifizierte Personen erwischt hatte.
    Das war die angeblich professionellste Polizeitruppe von Amerika. Zeitungen und Fernsehen forderten Erklärungen. Deputy Chief Julian Francis glaubte, die Erklärung zu kennen, wenigstens die für die Korruption bei der Polizei. Er hatte beschlossen, jede einzelne Polizeistation von Los Angeles persönlich zu besuchen, um seine Vermutung sowohl bei der uniformierten als auch der nicht uniformierten Beamtenschaft zu testen, bevor er den Super Chief um die Erlaubnis bitten wollte, eine Pressekonferenz einzuberufen.
    Deputy Chief Francis war kurz davor zu explodieren, als Al Mackey und Martin Welborn auf Zehenspitzen in den Mannschaftsraum der Hollywood Detectives schlichen, fünf Minuten zu spät.
    »Die Ursache für unser Mißgeschick ist offensichtlich«, sagte Deputy Chief Francis gerade. »Der Niedergang der Familie, der Kirche, des Patriotismus ist die Wurzel all dieses Mißgeschicks.«
    Während also dreißig Detectives ihre Kinnladen aufs Schlüsselbein sinken ließen oder vergeblich versuchten, ihre Augäpfel daran zu hindern, in die schmerzgepeinigten Köpfe zurückzurollen (dreizehn von ihnen hatten einen Mordskater, gestern war Zahltag gewesen), schlichen Al Mackey und Martin Welborn an den Tisch des Mord-und-Totschlag-Teams und konzentrierten sich auf die Familie-Kirche-Vaterland-Rede.
    Deputy Chief Francis dachte nicht daran, sie jemals zu ändern. Seit neunundzwanzig Jahren hielt er dieselbe Rede. Sie hatte einst die Auswahlkommission beeindruckt, als er sich darum bewarb, Polizist zu werden, und ebenso jede Beförderungskommission, seit er vor einundzwanzig Jahren seinen Sergeant gemacht hatte, ohne jemals länger als zwei Monate auf der Straße gewesen zu sein. Es war gar nicht so einfach gewesen, ein Triumvirat von zigarrekauenden, fettbäuchigen Inspectors in damaligen Tagen davon zu überzeugen, daß er Vorgesetzter der Straßen-Cops werden sollte, auch nicht dadurch, daß er schon als Redenschreiber für den Polizeichef einige der schärfsten Hölle-und-Schwefel-Tiraden im Stil von J. Edgar Hoover verfaßt hatte. Doch sogar bei diesen hart trinkenden Beförderungskommissionen vergangener Tage hatte die Familie-Kirche-Vaterland-Beredsamkeit nie ihre Wirkung verfehlt. Sie trieb Männern einen Kloß in den Hals und Tränen in die Augen, oder irgend so was, davon war zumindest Deputy Chief Francis überzeugt.
    Der arme alte Cal Greenberg hätte sich mittlerweile am liebsten übergeben. Sein Katzenjammer war schlimmer als der von Al Mackey. Der alte Detective vom Einbruchsdezernat hielt seinen Kopf in beiden Händen und starrte am Deputy Chief Francis vorbei. Der Fluch des Glitter Domes. Cal Greenberg war wirklich ein Bild des Jammers. Al Mackey langte zu ihm rüber und schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. Halt durch.
    Der offenbar bewußtlose Polizist spürte es nicht mehr. Er lauschte seinem privaten Glenn-Miller-Konzert. Er brauchte nur mit den Augen zu zwinkern, um von String of Pearls auf Little Brown Jug umzuschalten.
    Die einzige Variation in der Rede von Deputy Chief Francis war in diesem Jahr das Schlagwort »Auswirkungen«. Alles hatte entweder seine »Auswirkungen auf« oder war eine »Auswirkung von«. Die Unmoral der kriminellen Polizisten, die von den Medien derart ausgeschlachtet wurde, war ein direktes Resultat des Familien-, Kirchen-, Vaterlandsverfalls, dessen Auswirkungen auch Polizisten unterliegen mußten. Und so fort.
    Immerhin hatte sich auch die Kleidung des Deputy Chief in diesem Jahr etwas

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