Der Hollywood-Mord
ihm seinen beschichteten Polizeiausweis, dessen Ecken das Schnappschloß angekratzt hatte.
»Diese Karten sind wenigstens für etwas gut«, sagte Martin Welborn und nahm ein gestärktes weißes Hemd aus der Mahagonikommode. Seine Baumwolloberhemden, sauber gewaschen und gebügelt, lagen dort gefaltet und ordentlich übereinandergestapelt.
Mit den Polizeiausweisen konnte man nicht mal einen Scheck einlösen. Tut mir leid, Sir, mein Boß sagt, das geht nur mit'm Führerschein. Aber mit ihnen konnte man ein Schloß wenigstens besser als mit einem Dietrich aufkriegen. Al Mackeys Hände zitterten. Er konnte seine Kennkarte kaum in die Brieftasche zurückstecken. »Weißt du nicht, daß du weggetreten warst? Dein Gesicht sah aus wie 'n rohes Steak. Wenn ich nicht gekommen wär …«
»Du hastn Hang zu Übertreibungen, Al, Kumpel.« Martin Welborn grinste.
Immer »mein Kumpel, mein Sohn, mein Junge«, obgleich Martin Welborn nur zwei Jahre älter war als Al Mackey. Er holte seine Socken aus der zweiten Schublade. Die Sockenpaare lagen nach Farben gestapelt. Martin Welborn mußte die Stapel mit einem Zollstock mit Millimetereinteilung ausgerichtet haben. Wann hatte er mit diesem Mist angefangen? Marty war vorher nie so ordentlich gewesen. Niemand war so ordentlich. Unheimlich. Es wurde immer unheimlicher.
Und das berührte Al Mackey zutiefst. Er hatte sich betrunken und auf seinem Revolverlauf rumgekaut! Al Mackey bekam das Frösteln und zitterte beachtlich.
»Seit wann hast du dieses Folterinstrument, Marty?«
»Es ist ein Wirbelsäulenstreckapparat. Sie verkaufen ihn an Leute mit krankem Rücken.«
»Yeah, haste schon gesagt. Ich sage dir, sie sollen so was besser in diesen Freak-Shops auf dem Hollywood-Boulevard zusammen mit Ledermasken, Ketten und Daumenschrauben verkaufen. Verdammt, Marty, wenn ich nicht reingekommen wär …«
»Al, ich hab genau drei Minuten gehangen. Ich hab die Zeit auf der Uhr neben meinem Bett genau kontrolliert.«
»Ich war fast fünf Minuten an der Tür.«
»Du siehst schrecklich aus, Al. Warst du gestern wieder im Glitter Dome?«
»Herrgott, du kriegst grad erst wieder Farbe.«
»Du solltest den Glitter Dome links liegen lassen, Al.«
Martin Welborn machte einen tadellosen Knoten in seinen karierten Schlips. »Kannst du nicht irgendwo saufen, wo's erfreulicher zugeht?«
Am Ende gab Al Mackey es auf. Er wußte, daß diese Art, aneinander vorbeizureden, so lange weiterlief, bis er aufgab. Er ging in die Küche der Zwei-Zimmer-Wohnung und machte den Kühlschrank auf. Zitternd nahm er eine Flasche Orangensaft und drei Eier heraus. Er hatte keinen Hunger, aber sein vitaminentwöhnter, whiskygeschockter Körper verlangte nach Nahrung. Das war alles andere als ein normales Hungergefühl, sondern mehr ein wütendes Verlangen. Er schlug drei Eier auf, ließ eins in den Ausguß fallen, aber die anderen beiden landeten glücklich in einem Glas Orangensaft.
Al Mackey zog eine Schublade auf, um einen Löffel zu finden. Herrgott! Jede Schublade war durch Plastikfächer unterteilt. Jeder Löffel lag an seinem vorgeschriebenen Platz. Ebenso die Gabeln und Buttermesser. Al Mackey öffnete die Messerschublade: eine Reihe Steakmesser zeigte zur Wand. Größere Messer lagen in Richtung Gasherd. Löffel und Schöpfkellen Richtung Wand. Winzige kleine Holzpflöcke hielten jedes Utensil am vorgesehenen Platz.
Al Mackey riß in dieser peinlich sauberen kleinen Küche jeden Schrank auf. Jedes Glas war poliert. Nirgendwo ein angetrockneter Tropfen. Alles stand in Reih und Glied, vom größten Wasserglas bis zu den gedrungenen Whiskygläsern. Die Gewürzgläser im Regal waren nach der Größe geordnet. Die Symmetrie war perfekt.
Martin Welborn spazierte frisch und munter in die Küche. Er trug einen grauen, dreiteiligen Anzug zu schwarzen Mokassins und grauen Socken. Winzige rote Muster in der grausilber karierten Krawatte waren die einzige Ausnahme in der strengen Farbwahl. Sein dichtes schwarzes Haar war aus der noch faltenlosen Stirn zurückgebürstet.
»Mein neuer Anzug, Al. Gefällt er dir? Glitzert er, wenn ich gehe?«
»Du glitzerst, Marty.« Al Mackey trank seinen Orangen-Eier-Mix aus und dachte über Martin Welborns Gemütsruhe nach. Ich hab die Uhr im Auge gehabt, Al.
Ein Tropfen Saft glitzerte auf Al Mackeys Kinn. Martin Welborn ging zur Anrichte, öffnete eine Schublade und zog eine Papierserviette heraus. Die Eß- und Cocktailservietten waren nach Größe und Farbe geordnet.
Martin
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