Der Hollywood-Mord
gegenüber Auntie Rosa erwähnt. Die Presse hatte nichts darüber gebracht, weil an dem Tag, an dem Bonnie Lee Brewster verschwand, über Polizeifunk zunächst eine falsche Beschreibung der Kleidung durchgegeben worden war. Das Kind hatte sich umgezogen, und das hatte sogar die Mutter vierundzwanzig Stunden lang nicht gewußt. Aber Auntie Rosa hatte die Hollywood-Detectives angerufen und mit Martin Welborn gesprochen, und sie hatte es gewußt.
Das kleine Mädchen war zuletzt gesehen worden, als es mit einem Mann sprach, nahe bei seiner Wohnung in der Ivar Avenue. Es war Blut entdeckt worden, aber es gab keine Lösegeldforderung. Nichts. In der Vergangenheit hatte Auntie Rosa die geschändete, aufgeschlitzte Leiche eines elfjährigen Jungen in einem Abzugskanal, ganz in der Nähe des Los Angeles River, »gesichtet«. Bei einer anderen Gelegenheit »hörte« sie ein fünfjähriges Mädchen um Hilfe schreien, in der Mansarde eines stuckverzierten Sommerhauses in Eagle Rock. Auntie Rosa beschrieb das Haus und die Straße derart klar, daß die Polizei das Haus fand und auch das geistesgestörte Kind, das von seinen Eltern in der Mansarde angekettet war.
Obwohl Cops im allgemeinen Skeptiker sind, lachten nur wenige offen über Auntie Rosa, und keiner dachte daran, sie ins Kittchen zu bringen, nur weil sie gelegentlich ein paar Dollar verdiente, wenn sie den Damen aus der Nachbarschaft die Zukunft las.
Al Mackey konnte den Gestank der alten, schniefenden Hexe nicht ertragen. Sie stank nach Fisch, Knoblauch, Zwiebeln und Katzen. Al Mackey dachte, sie müßte mindestens hundert Katzen haben, und er fing schon an, psychosomatisch zu niesen, wenn sie in die Nähe des kitschigen alten Hauses mit all dem theatralischen Prunk kamen.
Martin Welborn behandelte Auntie Rosa mit sehr viel Respekt, und sie freute sich immer, wenn er kam. Sie hatte einen dicken Kropf am Hals hängen und humpelte mühsam auf dick umwickelten Beinen. Auntie Rosa war eine Frau ohne Alter, und sie waren nie ganz sicher, ob sie nun eigentlich eine Weiße sei. Al Mackey vermutete, daß sie eine Art Eurasierin war, aber bei den blauschwarz gefärbten Haaren und dem doppelt gelifteten Gesicht war das schwer zu sagen.
»Wissen Sie, Sergeant Welborn«, sagte die alte Frau, als sie in dem muffigen Salon Platz nahmen, »Dienstagnacht habe ich Bonnie sehr deutlich gesehen. Ich hab mich in den Schlaf geweint. Sie rief nach mir, mein Liebling Bonnie.«
Auntie Rosa sprach von vermißten Kindern immer als von ihren Lieblingen.
»Dieses Kind ist tot«, sagte Al Mackey. »Da war das Blut.«
»Ist sie nicht, Sergeant Mackey! Oh, sie ist nicht tot!« schrie Auntie Rosa, und ihr Kopf kriegte plötzlich einen Schüttelkrampf, eine Folge ihres letzten Schlaganfalls. Der Kropf tanzte und zuckte.
»Ruhig, ruhig, Auntie Rosa, Sie haben völlig recht«, sagte Martin Welborn. »Ich glaub auch, daß Bonnie am Leben ist, irgendwo.«
»Ist sie, Sergeant Welborn! Sie lebt, und sie weiß, daß wir nach ihr suchen!«
Kaum hatte sie das gesagt, jagte eine Katzenmutter ihr Junges über Al Mackeys Füße und ihm lief ein Schauer über den Rücken. Verfluchte alte Spökenkiekerin!
»Ist sie … verletzt, Auntie Rosa?« fragte Martin Welborn leise.
Da fing die alte Frau plötzlich an zu weinen. Sie schnaufte und schniefte und wischte sich die Nase am Ärmel ab. »Ich glaube, sie ist verletzt, Sergeant Welborn. Sie ruft, aber es klingt wie ein seltsamer Sirenengesang. Als ob … als ob sie sich wünscht, daß wir kommen, aber um sie herum lauert Gefahr. Als lauerte dort eine atmende, glühende Macht. Die wartet auf uns, Sergeant Welborn!«
»Das Kind ist tot«, sagte Al Mackey, aber sie schien es nicht zu hören.
»Ruhig, ruhig, Auntie Rosa«, sagte Martin Welborn, als das Zittern der alten Frau so heftig wurde, daß sie ihren Tee verschüttete.
»Der Teufel ist ein rasender Löwe, Sergeant Welborn!«
»Ich weiß es nicht, Auntie Rosa«, sagte Martin Welborn besänftigend und tätschelte ihre von Leberflecken übersäte Hand. »Vielleicht ist er auch nur ein dummer kleiner Kojote. Falls er überhaupt existiert.«
»Oh, es gibt ihn, Sergeant Welborn. Es gibt ihn!«
»Hoffen wir's«, sagte Martin Welborn und tätschelte immer noch die Hand der alten Frau. »Das Leben wär doch unerträglich, wenn wir den Teufel nicht hätten, wär's nicht so?«
Die alte Frau stieß ein krächzendes Keuchen von Gelächter aus und sagte: »Sie haben vollkommen recht, Sergeant Welborn. Das
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