Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
wäre.
    Erst kürzlich hatte sich Al Mackey ja noch selbst mit den schauerlichen Auswirkungen der einen Krankheit herumschlagen müssen.
    Marty wollte nie über jene schlimmen Zeiten bei den Jesuiten reden, und er hatte jeden Versuch Al Mackeys, etwas über seine Vergangenheit zu erfahren, abgeblockt. Al Mackey hätte noch so oft dieses Thema anschneiden können, etwa mit dem Satz: »Weißt du, mir gefällt die Art, in der dieser neue Papst sich gibt. Er ist der erste Priester, der für mich nicht wie ein abgehalfterter Romeo aussieht.«
    Und Marty würde nur lächeln und sagen: »Der hat tatsächlich einen Unterkiefer wie ein Knochenbrecher.«
    Und Al Mackey würde sagen: »Richtig, und er ist ein direkter Nachfolger von Jesus Christus.«
    Dann würde Marty sagen: »Stimmt, und er ist Pole.«
    Und das wäre es dann. Da gäbe es dann nichts weiter mehr zu reden über den päpstlichen Unterkiefer oder Martys religiöse Krise, die Al Mackey für äußerst schwer hielt. Und nur ein einziges Mal erwähnte Martin Welborn seine Familie in Ohio. Das war am Muttertag, und Al Mackey hatte gerade seine zweite, ach so schnelle Ehe mit dieser Fotze hinter sich gebracht, die ihn nicht nur in die Eier getreten hatte, sondern auch noch mit genagelten Schuhen auf ihnen herumgesprungen war und ihn so bankrott zurückgelassen hatte wie die Chrysler-Corporation.
    An jenem Tage hatte Al Mackey den Welborns einen Nelkenstrauß mitgebracht und Paula erklärt, daß es Sitte sei, eine rosa Nelke im Knopfloch zu tragen, wenn die Mutter noch lebt, und eine weiße, wenn sie schon tot ist. Al Mackey würde diesen Tag nie vergessen, denn als er mit Marty darauf wartete, daß sich Paula und die beiden Mädchen für ihr großes Muttertagsessen im Restaurant Row fertigmachten, brach Al Mackey eine rosa Nelke aus dem Strauß und bot sie Marty an. Al Mackey wußte, daß Martys Mutter gesund und munter in Ohio lebte, trotzdem schaute Marty ihn nur sekundenlang mit seinen großen braunen Augen an, brach dann eine weiße Nelke ab und steckte sich diese ins Knopfloch.
    Al Mackey fragte Martin Welborn nie wieder nach seiner Mutter.
    Jetzt endlich schien Marty seine Gespräche mit den Rollschuhläufern zu beenden. Er winkte zu Al Mackey herüber, der am Zaun lehnte und einem schwarzen Kind zuschaute, das zwischen den Reihen der parkenden Autos Rollschuh lief. Rückwärts.
    Martin Welborn marschierte los, um zu seinem Partner zu gehen, aber in diesem Moment sauste hinter ihm ein anderer Läufer heran, von dem er nur einen flüchtigen Eindruck erhielt, weil der Junge sofort wieder zwischen den parkenden Autos verschwand. Er war kleiner und jünger als die anderen. Er war blond, und Martin Welborn rannte sofort hinterher, um ihn sich näher anzusehen. Aber der Junge war weg. Der Junge hatte ausgesehen wie Danny Meadows.
    Danny Meadows nannte ihn Daddy. Er sagte: Daddy? Es war das einzige Wort, das Danny Meadows jemals zu ihm sagte: Daddy?
    Babs nannte ihn einstweilen noch Daddy. Sally würde ihn für alle Zeiten Daddy nennen. Da war er sich ganz sicher. Obwohl sie älter war als Babs, würde sie ihn nie, etwas förmlicher, Dad nennen. Sie würde ihn auch nie Vater nennen.
    Vater wie zu einem Priester würde wohl niemand mehr zu ihm sagen. Einfach unvorstellbar: Vater Welborn. Aber die Geistlichen hatten überall im ganzen Land die niedrigste Selbstmordquote, neben den Sozialarbeitern. Gute Taten halten die Leute offensichtlich davon ab, sich Kanonen in den Mund zu stecken. Polizisten und Ärzte hatten die höchste Quote. Offenbar führt es zu keinem langen Leben, wenn man so unnütz ist wie Polizisten und Mediziner. Neunzig Prozent der Polizisten, die Selbstmord verüben, benutzen Waffen. Ärzte gebrauchen ihre eigenen, ihnen vertrauten Waffen. Jedem das Seine. Die meisten Polizisten, die sich umgebracht hatten, waren passive Männer mit unausgereifter Persönlichkeit gewesen, wurde behauptet. Das schien seltsam zu sein, weil die Arbeit bei der Polizei an sich keine passiven Männer anzog.
    Martin wußte offenbar zu wenig über unausgereifte Persönlichkeiten.
    Martin Welborn hatte drei weibliche Polizisten aus Los Angeles gekannt, die es getan hatten. Alle drei waren wie echte Kerle aus dem Leben geschieden. Sie hatten auf der Revolvermündung gekaut. So hatten sie am Ende ihre Männlichkeit bewiesen, ihren Machismo.
    Eine der wohl ironischsten Erkenntnisse über die wenigen älteren Officers unter den Selbstmördern – die sehr wenigen, die Versager, die

Weitere Kostenlose Bücher