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Der Hollywood-Mord

Der Hollywood-Mord

Titel: Der Hollywood-Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Mackey mußte hart in die Bremsen steigen, denn die Autofahrer fuhren plötzlich langsamer, um irgendeinen armen Teufel zu begaffen, der gerade einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung kriegte. Besser er als ich!
    »Ich wüßte es auch nicht, Al«, sagte Martin Welborn fröhlich.
    »Okay, du könntest ihm vielleicht erst mal erzählen, warum du so gern mit dem Kopf nach unten hängst wie ein mausetoter Fisch.«
    »Ich hab ein Rückenleiden, Al. Ich habe eine Verletzung von einem Auffahrunfall, erinnerst du dich?«
    »Okay, dann erzähl ihm, warum du inzwischen öfter in die Kirche gehst als der Papst, warum tust du das nicht?«
    »Ist es denn was Besonderes, ab und zu mal in die Kirche zu gehen? Ich habe dir gesagt, daß ich da nicht bete, wenn es das ist, was dich stört. Mir gefällt die Architektur. Ich wollte da unbedingt mal heiraten, aber wir konnten es nicht einrichten.«
    »Okay, dann rede mit ihm über deine Ehe. Sag ihm, wie hart es dich getroffen hat, als Paula auszog. Sprich darüber, wie schwer du mit der Trennung fertig wirst.«
    »Waren deine beiden Scheidungen für dich nicht auch hart, Al? Trennung? Trifft das nicht jeden von uns hart? Gewissensbisse. Schuldgefühle. Beschuldigungen. Ist doch ziemlich normal, oder?«
    Al Mackey verlor in dem immer wieder stockenden Verkehr die Geduld und drückte kräftig auf die Hupe. »Warum schreiben Sie keinen Brief?« brüllte er durchs Fenster dem Wagen vor ihm zu.
    »Beruhige dich, mein Junge.« Martin Welborn lachte in sich hinein. »Vielleicht solltest du den guten Doktor mal aufsuchen.« Martin Welborn sah sich einen alten Filipino mit einem Spazierstock aus Aluminium an, der sich langsam mit einer Geschwindigkeit von sechs Zoll pro Schritt die Temple Street hinunterbewegte. »Stell dir mal vor, wir müßten rückwärts laufen«, sagte er.
    Al Mackey atmete tief durch, wischte sich mit der Hand über die Stirn und war überrascht, wie stark er schwitzte. Dann sagte er: »Okay, Marty, mir fällt gerade was ein, was du mit dem Seelenklempner diskutieren kannst. Du kannst darüber diskutieren, daß deine Gläser in Reih und Glied stehen wie ein verdammtes Schachspiel. Und dein Gewürzbord sieht aus wie drei Reihen Damesteine. Und deine Socken und die Unterwäsche und die Hemden sehen aus, als würdest du auf den Generalinspekteur warten.«
    »Ist es denn ein Fehler, ordentlich zu sein?«
    »Du warst nie so ordentlich. Keiner war je so ordentlich. Du bist in letzter Zeit ein bißchen  … zu ordentlich geworden.«
    »Ich versuch, in Zukunft schlampiger zu sein, wenn dich das glücklicher macht, Al«, sagte Martin Welborn gutgelaunt.
    »Ach, scheiß drauf!« sagte Al Mackey.
    »Laß uns doch noch mal an den Fall Bonnie Lee Brewster gehen, Al«, sagte Martin Welborn. »Bloß noch ein einziges Mal.«
    Bloß noch ein einziges Mal. Das hatte er in den letzten drei Monaten mindestens einmal wöchentlich gesagt. Das war auch so eine Sache, über die Marty auf jeden Fall mit dem Seelenklempner reden sollte, Bonnie Lew Brewster und diese verrückten »Nachermittlungen«, auf die Marty sich versteift hatte, hinsichtlich dieser psychopathischen alten Frau, Auntie Rosa.
    Sie wohnte oberhalb der Franklin Avenue in einem dieser alten Spukhäuser, die zu ihrem Stil und zu ihrem Gewerbe paßten. Aus der Hand lesen und in die Kristallkugel starren und in die Vergangenheit eines Menschen gucken, das fand in der City von Los Angeles immer seine Anhänger und war legal, und man konnte sich auch dafür bezahlen lassen, aber in derselben Sekunde, in der eine Wahrsagerin oder ein Medium einen Blick in die Zukunft warf und eine Voraussage gegen Bezahlung machte, würde das Medium oder die Wahrsagerin Stahlarmbänder anstelle von Goldarmbändern tragen und sich eine Anzeige wegen Schwindel und Betrug einhandeln. Auntie Rosa hatte von Zeit zu Zeit gegen das Gesetz verstoßen, aber die Polizei hatte sie meist in Ruhe gelassen, seit sie ihr ein paarmal sehr gelegen gekommen war in Fällen, in denen es um vermißte und ermordete Kinder ging. So hatte sie zwar im Fall der zehnjährigen Bonnie Lee Brewster nicht gerade ins Schwarze getroffen, aber sie rief Martin Welborn regelmäßig an. Manchmal weinte sie sogar während der Telefongespräche. Da war dann immer, in einem Nebel über ihrem Bett schwimmend, die Gestalt der Bonnie Lee Brewster in einem blauen Kleid mit weißen Kniestrümpfen und einer gelben Snoopy-Anstecknadel auf dem weißen Kragen. Und das hatte niemand

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