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Der Horizont: Roman (German Edition)

Der Horizont: Roman (German Edition)

Titel: Der Horizont: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Modiano
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Ähnlichkeit mit Margaret. Er folgte ihr, wobei er zwischen sich und ihr Abstand wahrte. Der Kinderwagen, den sie nur mit einer Hand schob, war leer. Während er so durch den Park schlenderte und sie nicht aus den Augen ließ, kam er immer stärker zu der Überzeugung, dass es Margaret war. Am Vortag hatte er einen Science-fiction-Roman gelesen, Les Corridors du temps , die Zeitkorridore. Irgendwelche Leute waren in ihrer Jugend miteinander befreundet, doch manche von ihnen altern nicht, und wenn sie den anderen vierzig Jahre später begegnen, erkennen sie diese nicht mehr wieder. Und es kann zwischen ihnen auch gar keine Berührung mehr geben: Oft gehen sie Seite an Seite, doch jeder in einem anderen Zeitkorridor. Würden sie miteinander sprechen wollen, dann könnten sie sich nicht hören, wie zwei Menschen, die durch eine Aquarienscheibe getrennt sind. Er war stehengeblieben und schaute ihr nach, während sie in Richtung Seine verschwand. Es ist zwecklos, dass ich sie einzuholen versuche, dachte Bosmans. Sie würde mich nicht erkennen. Eines Tages jedoch werden wir, durch ein Wunder, denselben Korridor benutzen. Und alles wird für uns beide von vorne anfangen, in diesem neuen Viertel.
    Jetzt lief er die Rue de Bercy entlang. Am Vortag hatte er eines jener Cafés aufgesucht, wo man ins Internet gehen kann. Der Name »Boyaval«, den er vergessen hatte – oder der vielmehr »stillgelegt« war, wie die Namen sehr alter Familien der englischen Aristokratie, die über Jahrhunderte verschwinden, weil diese keine Nachkommen mehr haben, doch eines Tages plötzlich im Personenstand neuer Menschen wieder zutage treten –, dieser Name, Boyaval, war aus der Tiefe der Vergangenheit aufgetaucht. Ein Meteorit, der nach vierzigjährigem Fall vor ihm eingeschlagen war. Er hatte in die Tastatur getippt: »Telefonbuch«. Dann: »Boyaval«. Ein einziger Boyaval in Paris und in ganz Frankreich. Boyaval Alain. Immobilienmakler, Rue de Bercy Nr. 49.
    Im Schaufenster waren auf einer Tafel Photos und Preise der zum Verkauf angebotenen Wohnungen ausgestellt. Er öffnete die Tür. Ein Mann saß am anderen Ende des Büros, hinter einem Metallschreibtisch. Rechts, näher am Schaufenster, räumte ein junges Mädchen Aktenmappen ins Regal.
    »Monsieur Boyaval?«
    »Höchstpersönlich.«
    Bosmans stand wie versteinert vor dem Schreibtisch. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Der andere schaute zu ihm hoch. Er war ein Mann mit grauen Augen, das weiße Haar in einem etwas längeren Bürstenschnitt. Er trug einen Anzug im gleichen Grau wie seine Augen. Hageres Gesicht. Stark hervortretende Backenknochen.
    »Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
    Seine Stimme war sanft und sein Lächeln höflich.
    »Ich suche eine Wohnung«, sagte Bosmans. »Vorzugsweise hier im Viertel.«
    »Ich kümmere mich nur um Wohnungen hier im Viertel. Und auch im dreizehnten, rund um die Bibliothèque Nationale.«
    »Sie haben ganz recht«, sagte Bosmans. »Das sind neue Viertel.«
    »Ich arbeite lieber im Neubaubereich.«
    Er deutete auf einen Sessel, ihm gegenüber.
    »Und in welcher Preislage?«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Bosmans.
    Wie sollte er zum Kern der Sache kommen? Aber welcher Sache? Das ganze war absurd, hier saß ein anderer Boyaval. Das Mädchen legte ihm eine aufgeschlagene Aktenmappe vor, und er unterschrieb mehrere Blätter, bevor sie die Mappe wieder nahm und ins Regal stellte.
    »Mir ist, als hätte ich früher mal einen Monsieur Boyaval gekannt«, sagte Bosmans mit tonloser Stimme.
    »Ach ja?«
    Er musterte ihn mit seinen grauen Augen, in denen Bosmans eine leise Spur von Unruhe zu erkennen glaubte.
    »Vor sehr langer Zeit … in Annecy …«
    Das war einer der wenigen Hinweise, die Margaret ihm zu diesem Gespenst gegeben hatte. Sie war ihm in Annecy begegnet.
    Der andere schaute kurz auf seine Armbanduhr und warf einen Blick auf das Mädchen, das immer noch Aktenmappen wegräumte. Er wirkte nervös. Wegen eines einzigen Worts: Annecy?
    »Sollten wir nicht etwas trinken gehen? Ich unterhalte mich oft nebenan mit meinen Kunden. Dann erklären Sie mir genauer, was Sie suchen …«
    Auf der Straße bemerkte Bosmans, dass er leicht hinkte. Doch er hielt sich kerzengerade, und mit dieser Steifheit, dem weißen Haar im langen Bürstenschnitt und dem abgezehrten Gesicht hätte er als ehemaliger Soldat durchgehen können.
    Sie setzten sich auf eine Caféterrasse in die Sonne. Sie waren die einzigen Gäste. Auf der anderen Straßenseite

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