Der Hüter des Schwertes
durch seine magischen Fähigkeiten auf jeden Fall zu überleben, aber diese Gelegenheit, seine Königin zu beeindrucken, durfte er sich nicht entgehen lassen.
»Wo sind sie? Wann wird das Warten ein Ende haben?«, wollte er wissen.
»Der ist verdrießlich, hm?«, bemerkte Karia, und Martil amüsierte sich köstlich über ihre Ausdrucksweise.
Als Barrett nicht mehr auf und ab ging, trommelte er mit den Fingern auf eine der Kirchenbänke oder warf einen Apfel von der einen Hand in die andere. Oftmals sah er Rabbag mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an.
»Du musst dich entspannen. Du wirst noch all deine Kraft vergeuden«, schlug Martil gelassen vor.
»Ich mache mir Sorgen um die Königin«, erwiderte er scharf.
Martil zuckte mit den Achseln und las Karia weiter vor, die aber das Interesse an dem Buch verloren hatte und aufblickte.
»Ich höre etwas!«, sagte sie aufgeregt.
»Du hörst sie schnarchen«, knurrte Conal und deutete auf Rabbag, die es sich auf einer der Kirchenbänke bequem gemacht hatte. Ihr Mund stand weit offen, und ein Speichelfaden sickerte ihr aus dem Mundwinkel.
»Aus dem Weg!«, ertönte der Ruf eines Soldaten und ließ sie aufhorchen.
»Macht euch bereit!«, zischte Barrett. Rabbag schreckte hoch, setzte sich aufrecht hin und rieb sich die müden Augen.
»Es ist Zeit, dir dein Geld zu verdienen«, sagte der Zauberer zu ihr.
»Na schön. Wo willst du es tun?«, sagte sie automatisch.
Glücklicherweise war das Hufgetrappel auf dem Kopfsteinpflaster und das Rumpeln der Kutsche so laut, dass Karia keine Fragen stellen konnte. Martil atmete tief durch. Er fühlte, wie sein Herz raste und wie sich ihm der Magen umdrehte. Das waren die bekannten Anzeichen, die erst verschwinden würden, wenn der Kampf losging – und er hoffte, dass es heute gar nicht dazu kommen würde. Er hatte eine Auseinandersetzung mit Havrick gehabt, aber der war nur ein Offizier gewesen. Nun stand er im Begriff, sich Gello zu widersetzen und sich selbst zum Mittelpunkt eines wahrscheinlich ausbrechenden Bürgerkriegs zu machen. Er hatte sich geschworen, genau das nicht noch einmal zu tun. Wieder hatte er das Gefühl, von den Ereignissen überrollt zu werden. Nur weil er wieder einmal zur Beute seines Zorn geworden war, nachdem er an einem Waldrand Halt gemacht hatte, um sich mit einem Räuber zu unterhalten. Wenigstens hatte er in Rallora aus Überzeugung gekämpft, bis zum bitteren Ende. Hier ging es um Gründe, die er kaum verstand. Der Vorschlag eines Mädchens, der einem Priester geleistete Eid, die Warnung eines Zauberers und das Lächeln der Königin – mehr war nicht nötig gewesen, um ihn zu überzeugen. Wie hatte das alles so einfach geschehen können? Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, alles in Frage zu stellen; deshalb wollte er keine weiteren Gedanken darauf verschwenden.
»Macht euch bereit«, sagte er sanft. »Seid leise, bis wir hören, wie die Königin hereinkommt.«
»Nein! Du und Karia, ihr werdet mit ihr sprechen! Tut so, als würdet ihr beten. Gebt uns ein Zeichen, wenn es so weit ist«, zischte Barrett.
Martil sah sofort ein, dass das sinnvoll wäre. »Komm«, sagte er und hielt Karia seine Hand hin. Sie ergriff sie und folgte ihm ins Kirchenschiff.
Sie setzten sich auf eine der Bänke, und der Priester eilte an ihnen vorbei; anscheinend hatte er die Ankunft der Königin und ihrer Eskorte ebenfalls bemerkt. Die Geräusche verstummten, die Eingangstür der Kirche wurde grob aufgestoßen, und die Königin mit ihrem Gefolge kam herein. Martil blickte zur Tür – er wusste, dass jeder Kirchenbesucher es ihm gleichtun würde –, um sich die Königin und vier ihrer Hofdamen anzusehen. Sie alle trugen lange Kapuzenumhänge.
Pater Prent ging auf sie zu. »Wie kann ich dienlich sein, Eure Majestät?«, fragte der Priester sanft.
»Solange Ihr nicht gedenkt, Aroaril darum zu bitten, Gello mit der Pest heimzusuchen, könnt Ihr nicht dienlich sein. Ich schaffe es auch ohne Eure Hilfe, mich sicher auf eine Kirchenbank zu setzen.«
»Wie Eure Majestät wünschen.« Prent verbeugte sich und zog sich in seine Schreibstube zurück.
Martil beobachtete die Königin. Jede ihrer Bewegungen war würdevoll und elegant, er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Er musste einen guten Eindruck auf sie machen, musste ihre Aufmerksamkeit erregen, ohne würdelos oder tölpelhaft zu wirken. Er dachte angestrengt nach, wie er das anstellen sollte, als Karia sich auf die Kirchenbank stellte und wild zu
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