Der Hüter des Schwertes
Rabbag – ins Bett zu gehen, war sein kleines Geheimnis. Jedes Mal sagte er sich, er würde es nie wieder tun. Aber er tat es immer wieder. Dass Martil davon wusste, machte ihm etwas zu schaffen. Es gab ihm das Gefühl, sich beschmutzt zu haben. Er hatte sich immer eingeredet, dass die Besuche bei Lahra es ihm erleichterten, der Königin zu dienen, obwohl er sich selbst davon nie so recht hatte überzeugen können.
Martil brachte Rabbag in ein leeres Schlafzimmer – weit weg von Karias Zimmer. Dann holte er sich einen Krug Wasser und bereitete sich darauf vor, Wache zu halten. Von einem der Fenster aus ließ sich der vordere Garten und der Weg von der Straße zum Haus beobachten. Er zog sich einen Stuhl heran, starrte nach draußen und fragte sich, was der Tag ihnen bringen würde. Er war ein wenig besorgt, was mit Rabbag geschehen würde, falls nicht alles so lief, wie sie es geplant hatten. Aber er hoffte, dass selbst Gello nicht so weit gehen würde, eine Hure hinzurichten. Er für seinen Teil hoffte nur, dass die Königin nicht sofort von ihm verlangte, das Drachenschwert zu ziehen, um Gellos Männer auf ihre Seite zu ziehen. Er zog das Schwert. Er hatte den Verdacht, dass er es morgen brauchen würde, und fragte sich, wie er es auch äußerlich wieder in das Drachenschwert verwandeln konnte. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, doch es sah immer noch aus wie sein altes Kurzschwert. Ohne Barrett wusste er nicht, ob es daran lag, dass er irgendetwas falsch machte, oder ob er einfach nicht auf die Magie des Schwertes zugreifen konnte. Jetzt, da das Schwert sein Äußeres magisch verändert hatte, konnte er den Drachen am Griff nicht mehr erkennen und hatte folglich keine Ahnung, ob die Augen funkelten oder nicht.
Die Nacht dauerte eine gefühlte Ewigkeit, und Martil dachte über Königin Merren nach. Seine Stunde mit Rabbag gab seinen Gedanken eine neue Richtung. In seiner Jugend – damals waren ihm die Sagen noch nicht verhasst gewesen – hatte er fast alle diese Geschichten gelesen. Er wusste, wie die Sache mit einer Königin und ihrem Kämpfer oft ausging. Warum sollte er nicht Prinzgemahl werden? Natürlich, er war Rallorer und als Bauernjunge geboren, aber er war auch der Auserwählte des Drachenschwertes. Und wenn alle Adligen hier ihren Gefallen daran fanden, einer Hure in den Kleidern der Königin dabei zuzusehen, wie sie nackt ihre Ställe ausmistete, dann schrie dieser Ort förmlich nach neuem Blut. Dieser Gedanke gefiel ihm. Er hatte das Drachenschwert gezogen, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Die Entscheidung, es zur Königin zu bringen, war mehr von Karia als von ihm selbst gefällt worden. Die Entscheidung, Barrett zu begleiten, hatte man ihm auch abgenommen: entweder mitkommen und helfen – oder den Tod durch das Drachenschwert erleiden. Er versuchte immer noch zu verstehen, wie er in diese Lage gekommen war. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er Rallora verlassen, Schwüre geleistet, nie wieder Blut zu vergießen oder in den Krieg zu ziehen, und kurz darauf war er von einer Räuberbande überfallen worden, hielt plötzlich das Drachenschwert in Händen und würde nun im Mittelpunkt eines Bürgerkrieges stehen. Wann war er von seinem Weg abgekommen, und wann hatte er sich für die Dinge entschieden, mit denen er jetzt leben musste? War er nur eine Marionette, die von Mächten gelenkt wurde, die sich seiner Kenntnis entzogen? Das war ein netter Gedanke für eine ruhige Nacht, überlegte er. Wieder fragte er sich, was Pater Nott gesehen hatte. Der alte Priester musste auch in Norstalos-Stadt sein. Wenn sie mehr Zeit gehabt hätten, hätte Martil ihn nur zu gerne aufgesucht und ein paar Antworten verlangt. Er konzentrierte sich wieder auf die Königin und insbesondere darauf, wie er sich bei ihrem Anblick gefühlt hatte. Die Geschichten drehten sich alle um Liebe auf den ersten Blick – ein guter Grund, nicht zu glauben, dass es im echten Leben dergleichen gab. Aber sie zu sehen, hatte ihn beinahe umgeworfen, es war wie ein Schlag in den Magen gewesen. Die Königin nur retten zu wollen, weil er sich zu ihr hingezogen fühlte und weil er dieses Gefühl bei ihrem Anblick erneut erleben wollte, war nicht das beste Motiv, aber wenigstens hatte er damit etwas, worüber er nachdenken konnte. Er vertiefte seine Gedanken und verlieh ihnen mit den Erinnerungen an seine Nacht mit Lahra die nötige Würze.
Als die Morgendämmerung den nachtschwarzen Himmel erhellte, ging er hoch und schüttete
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