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Der Hueter und das Kind

Der Hueter und das Kind

Titel: Der Hueter und das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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selbst unberührt ließ, seine Schuld an den Dingen in einem geringen Maße hielt?
    Denn es gab noch eine andere Möglichkeit, die nicht aufhörte, in Landrus Kopf umherzuspuken. Eine, die ihn selbst sehr viel mehr betraf, die ihm letztlich alle Schuld aufbürdete: War der Keim, der den Tod über die Sippen gebracht hatte, vielleicht die Strafe für ihn - den Mutter-Mörder? Mußten alle Kelchkinder für seine Untat büßen, nachdem er in ferner Zeit und doch erst »gestern« jene Macht gemeuchelt hatte, die hinter allem vampirischen Sein gestanden hatte: Lilith, Adams erstes Weib und die Mutter all derer, die später zu Hütern des Kelches geworden waren und noch geworden wären? 3
    Landru verbannte den Gedanken in die finstersten Tiefen seiner schwarzen Seele.
    Nicht an diesem Ort, rief er sich zur Räson, nicht in dieser Stadt, in der selbst dunkelste Geheimnisse unversehens ins Licht gerissen werden können ...
    Er ließ die selbst für ihn bedrückende und gleichsam erstickende Atmosphäre der dunklen Winkel Delhis hinter sich, als er ans Ufer des Ganges trat. Übelriechende Dämpfe absondernd, wälzte sich der breite Strom träge zu seinen Füßen. Weder die Lichter der Stadt noch die der Sterne brachen sich auf der tiefschwarzen Oberfläche, als würde der Fluß selbst sie gierig verschlingen, so wie er die darin Badenden nach hiesigem Glauben auch von ihren Sünden reinwusch.
    Womöglich, dachte Landru, war in diesem Glauben ja tatsächlich ein Körnchen Wahrheit. Und vielleicht ruhte der kloakenartige Gestank ja daher .
    Der Hüter lächelte perfide.
    Um wieviel schlimmer müßte er dann erst werden, wenn er selbst, Landru, in die Wasser des Ganges gestiegen wäre .?
    Sein Lächeln mutierte zur Fratze, als sein Gesicht sich verwandelte, und mit ihm der Rest seines Körpers. Er schrumpfte binnen eines Lidschlages, verkrüppelte auf unmögliche Weise und wurde zu dem einer Fledermaus. Auf ledrigen Schwingen stieg er auf in die Nacht und flatterte über den Fluß hinweg, um ein Stück hinter dem jenseitigen Ufer niederzugehen, im Schatten jener Moschee, deren Anblick unselige Erinnerungen in ihm zu neuem Leben beschwor.
    Landru zerschlug sie mit einem geistigen Hieb, der so hart war, daß er selbst unter der Gewalt aufstöhnte.
    Dann erst ging er um das im Vergleich mit anderen seiner Art wenig auffällige Bauwerk herum und drückte die goldbeschlagenen Tore auf. Unweigerlich dachte er daran, wie er die Moschee beim letzten Mal betreten hatte, kurz nach dem ersten mißglückten Kelchritual in Kairo. Ein Bild von grauenhafter Abartigkeit hatte ihn erwartet - blutspeiende, sich vor Schmerz und dürstender Qual windende Kelchkinder erfüllten das Szenario; die ersten Auswirkungen des Kelchkeimes hatten sich gezeigt und dem Hüter auf ewig ins Gedächtnis gebrannt.
    Heute indes bot sich ihm der von früher gewohnte Anblick dar. Die Räume der Moschee waren leer, nur erfüllt von unheiliger Stille, die wie etwas Greifbares in ihnen lag. Und doch war diese Leere anders als zuvor - auf seltsame Weise wirklicher, tatsächlicher. Weil nichts von dem zu spüren war, das früher hinter ihr gelauert hatte; oder vielmehr unter ihr.
    Landru senkte den Blick. Das Geheimnis der Moschee hatte sich einst tief unter den kunstvollen Mosaikböden befunden. Ob es heute noch so war, wußte er nicht. Vielleicht hatte Tanor sich nach dem Tod seiner Sippe ja zurückgezogen .
    »Du?«
    Das eine Wort ließ die Stille zerbrechen und hallte wie der Schlag einer mächtigen Glocke durch die Moschee.
    Landru sah auf.
    Tanor war lautlos wie ein Schatten unter einen der Rundbögen am jenseitigen Ende dieses größten Raums getreten. Er hatte sich nicht verändert seit ihrer letzten Begegnung: Wie stets war er nach alter Yogi-Sitte gewandet, sein Schädel blank wie polierter Stein.
    »Ja, ich«, erwiderte Landru, nur um das eisige Schweigen zu brechen.
    Tanor machte keine Anstalten, näherzutreten.
    »Was willst du hier? Dich davon überzeugen, ob du ganze Arbeit geleistet hast, Narr?«
    Landru hatte Mühe, unter den anklagenden, beleidigenden Worten des anderen nicht sichtlich zusammenzuzucken. Und ebenso schwer fiel es ihm, dem Delhi-Oberhaupt nicht kurzerhand an die Kehle zu springen für seine Frechheit. Die Dinge hatten sich verändert, Land-rus Macht war nicht mehr von jener Größe, unter deren bloßer Präsenz sich einst alle geduckt hatten. Nicht mehr - oder noch nicht wieder; diese Formulierung gefiel Landru um vieles besser

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