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Der Hueter und das Kind

Der Hueter und das Kind

Titel: Der Hueter und das Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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hatte, überall an seinem Körper. Sein triumphierendes Lächeln entblößte schiefe Reihen gelblicher Zähne, in die winzige Figuren von abgründigem Charakter eingeschliffen waren.
    Landru fand die Sprache als erster wieder.
    »Was redest du, von wegen er sei tot?« stieß er hervor. »Das ist doch .«
    »... nicht Sahya Patnaik«, fiel Tanor ihm ins Wort. »Sieh hin. Sieh genau hin!«
    Landru tat, was Tanor gesagt hatte. Er konzentrierte sich, schärfte seinen Blick - und sah .
    . eine ebenso nackte wie haarlose Gestalt!
    Nackt war sie bis auf das, was einmal ihre Haut gewesen war. Nun war es nur noch eine ledrige, fleckige Hülle, die an manchen Stellen den Blick freigab auf rohes, schwärendes Fleisch. Das Gesicht war eine Kraterlandschaft aus Runzeln und schwarzen Rissen. Die Augen klebten wie austrocknende Geleekugeln in riesigen Höhlen. An der linken Schläfe war die Haut gerissen und schälte sich ab, darunter schimmerte das schmutzige Weiß des Schädelknochens. Der Mund stand zu einem dunklen Oval offen, in das zwei faulende Eckzähne ragten .
    »Bei den Hohen!« entfuhr es Landru. »Wer ist das?«
    »Timot.« In Tanors Stimme mengten sich Wut, Bedauern, Trauer und Erschütterung. In einer hilflosen Bewegung streckte er die Hand vor, als wollte er nach dem verlorenen Sohn greifen. Er ging einen Schritt auf den anderen zu und blieb dann doch stehen, vom Grauen gelähmt.
    »Wie ist das möglich?« fragte Landru tonlos. »Wie kann er ...?« Sein Blick pendelte zwischen den letzten beiden Vampiren der Delhi-Sippe hin und her.
    »Ich fürchte, ich weiß es«, erwiderte Tanor düster.
    Timot nickte, langsam, weil jede hastige Bewegung seinen Leib noch ärger verwüsten konnte.
    »Du irrst dich nicht«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Ich habe Sahya Patnaik seines Talentes beraubt, als ich ihn tötete. Und seither >erweckt< er mich - Nacht für Nacht.«
    »Warum bist du nicht zu mir gekommen?« wollte Tanor wissen.
    »Hättest du denn Wert auf die Gesellschaft -«, Timot wies an sich herab, »- eines solchen Dings gelegt?«
    Tanor schwieg.
    »Was geht hier vor?« fragte Landru. »Wie ist das möglich?« Er wies auf den Vampir, dessen Leib sich die geraubten Jahrhunderte zurückerobert hatten.
    Tanor erzählte, was er vermutete, und Timot hatte dem nichts hinzuzufügen. Sein Blutvater hatte die Sache treffend erkannt.
    »Was ist das für eine Gabe, die er sein eigen nennt?« fragte der Hüter dann, mit einer Kopfbewegung zu Timot hindeutend.
    Tanor zuckte die Schultern und sagte: »Du weißt, daß es heute überall auf der Welt Menschen gibt, denen man >paranormale Fähigkeiten zugesteht. Solche Menschen wurden auch früher schon geboren, nur gab es damals nicht die Möglichkeiten, solcherlei Talente zu erforschen. Und wer um seine Gabe wußte, hielt sie geheim, weil er sonst Gefahr lief, der Hexerei bezichtigt zu werden. Timot muß einst eines dieser Kinder gewesen sein. Wohl unter dem Einfluß des schwarzen Blutes hat sein >Para-Talent< sich dahingehend entwickelt, daß er es vermochte, andere über sein Aussehen zu täuschen, indem er ihnen fremde Gesichter und Gestalten vorzuspiegeln verstand.«
    Landru nickte. »So könnte es in der Tat gewesen sein.« Er machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. »Und nun trägt er also zusätzlich Kraft und Bewußtsein desjenigen in sich, den ihr den >Erwe-cker< nanntet. - Inwiefern kannst du dich seiner Gabe bedienen?« wandte er sich direkt an Timot.
    »Zur Gänze«, antwortete der Vampir. »Er zwingt mich, sein früheres Leben zu führen, sein einstiges Tun fortzusetzen.«
    Landru grinste verschlagen.
    »Dann steht meinem ursprünglichen Plan ja nichts im Wege«, meinte er und trat auf Timot zu. Seine Hand fuhr in den Lederbeutel, umschloß, was darin war, und kam wieder zum Vorschein. Seine Faust kam auf die rissige Brust des Vampirs zu, als wollte er ihm einen Stoß versetzen.
    »Nimm den Kelch und ergründe seine Geheimnisse«, verlangte er.
    »Was soll ich ...?« begann Timot, der den Gral als solchen erkannte. Ein seltsamer Schimmer stahl sich in seinen trüben Blick, ein Abglanz der Ehrfurcht, die er selbst jetzt noch vor dem Unheiligtum seiner Rasse empfand.
    »Ich kann nicht ...«, preßte er mühsam hervor.
    Es waren Timots letzte Worte.
    Sahya Patnaik übernahm Tun und Denken des Körpers, der zu seinem Kerker geworden war. Indem er an Timots Wissen teilhatte, wußte er, worum es sich bei dem bizarr geformten Kelch, den Land-ru ihm reichte, handelte. Und

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