Der Huf des Teufels (German Edition)
selbst gemachtes Namensschild.
»Das ist Leifs Zimmer. Es ist noch alles so wie früher. Ins Wohnheim brauchte er ja keine Möbel mitzunehmen.« Sie öffnete Shelly die Tür.
Das Zimmer war nicht sehr groß und mit Kiefernmöbeln bestückt. Überall hingen ungerahmte Fotos und selbst gemalte Bilder von Leif, an den Wänden und auch am großen Kleiderschrank. In einem Regal neben dem Schreibtisch waren seine Auszeichnungen und Urkunden ausgestellt. Die Pokale standen auf einem Bord über dem Bett. Shelly ging auf eine Fotocollage zu, die an der rechten Wand hing. Es war das einzige gerahmte Bild. Eine Zusammenstellung aus Fotos von Leif und Lasse. Die beiden beim Reiten auf Turnieren, Arm in Arm. Die beiden im Urlaub an einem Strand, am Lagerfeuer auf einer Wiese, auf einem Schulfest. Die beiden bei der Abiturfeier auf der Bühne der Aula.
»Das ist Leifs bester Freund Lasse. Er ist auch bei Simon Langensalza in der Ausbildung. Er und Leif haben seit der Oberschule wirklich alles zusammen gemacht.«
»Ja, ich kenne ihn. Die zwei sind unzertrennlich. Auf dem Hof nennt man sie Max und Moritz.«
Frau Busch lachte.
»Sie waren schon immer ein komisches Paar. Ich hab allerdings nie verstanden, was sie aneinander finden.«
»Nein? Wieso?«
»Ach, Lasse und ich sind uns nie richtig grün geworden«, sagte sie, fuhr sich mit einer Hand an den Mund und fügte hinzu: »Das heißt so viel wie, dass wir uns nie richtig mochten.«
»Das ist aber doch ungewöhnlich bei so einer engen Freundschaft zu Ihrem Sohn, oder nicht?«
»Ja, doch. Aber Lasse ist so ganz anders als Leif. Er ist sehr dominant und … na ja, ich denke, dass er manchmal einen schlechten Einfluss auf Leif hat. Sie haben früher eine Menge Unsinn gemacht Wie Jungs halt so sind. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass Leif von Lasse angestachelt wurde.«
»Was haben sie denn so gemacht?«, wollte Shelly wissen.
»Ach, na ja, hier mal was geklaut oder was kaputt gemacht, Scheiben zerschossen, einen Mülleimer angezündet. Zweimal hatte ich nachts die Polizei hier, die Leif nach Hause gebracht hat.« Sie lachte. Es klang etwas gezwungen, weil sie es erst jetzt, mit einem gewissen Abstand dazu, überhaupt konnte.
»Kennen Sie Lasses Eltern?«
»Nein, gar nicht.«
»Nein? Die Jungs sind doch zusammen auf Turnieren geritten, oder nicht? Und sie waren zusammen im Urlaub.«
»Ja, aber Kontakt zu den Eltern hatte ich nie. Mein Mann auch nicht. Wenn sie auf einem Turnier ritten, standen wir auf der einen Seite des Parcours und die auf der anderen. Natürlich weiß ich, wer die beiden sind. Wenn wir uns hier auf dem Markt begegnen, nicken wir uns zu. Das war’s aber auch schon.«
»Komisch.«
»Das sind halt andere Leute als wir. Ich bin hier im Ort groß geworden, wir hatten einen kleinen Hof und Kühe. Die sind hierhergezogen und haben sich ein teures Haus gebaut. Er ist Architekt, glaube ich.«
Shelly blickte aus dem Fenster in den hinteren Garten. Er war recht groß, und es standen noch mehr Apfelbäume darin und ein kleiner Schuppen, der ähnlich schlecht in Schuss war wie der Zaun.
»Es war sehr nett von Ihnen, dass Sie mir so viel erzählt haben«, sagte Shelly und wandte sich zum Gehen.
»In ein paar Tagen hat er ja schon die Prüfung«, sagte Leifs Mutter und rieb sich nervös die Hände.
»Das macht er mit links, keine Sorge, Frau Busch.«
Als sie unten an der Haustür ankamen, klingelte es. Frau Busch öffnete, und ein rundlicher Mann mit gespaltener Nase stand in einer blauen Latzhose vor der Tür.
»Akki, du hast gesagt, du würdest in der nächsten halben Stunde jemanden schicken! Das ist jetzt zwei Stunden her«, beschwerte sich Frau Busch.
»Ach ja, da hat was länger gedauert«, sagte der Mann und nickte Shelly zu. »Also bin ich selbst los. Hast du ’n neues Auto oder was?«
»Nein, das ist meins«, sagte Shelly.
»Wie viel PS hat’n die Kiste?«
»Dreihundertsechsundneunzig.«
Er pfiff durch eine große Zahnlücke und lächelte. »Meine Herren! Wollen wir tauschen?«
Shelly warf einen Blick auf den rostigen Caravan, den man zu einem Lieferwagen umgebaut hatte. Auf der Seite stand »Klempner Knopp«.
»Ich denke, ich behalte meinen«, sagte sie grinsend. Sie bedankte sich noch mal bei Leifs Mutter und ging, während Herr Knopp ins Haus stampfte und seine Werkzeugtasche lautstark in der Küche absetzte.
Als sie die Wagentür hinter sich geschlossen hatte und in dem von nahezu allen Geräuschen der Außenwelt abgetrennten
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