Der Huf des Teufels (German Edition)
Auf dem Boden lagen Klamotten verstreut, und direkt neben der Tür türmten sich auf einer alten Kokosmatte die Schuhe.
Shelly ging zum ersten Schreibtisch und startete den PC . Während er hochfuhr, ging sie die Post durch, die an Lasse adressiert war. Es waren drei Umschläge dabei, die sie stutzen ließen. Im Adressfenster standen in Maschinenschrift der Name einer Firma und eine Straße, die Shelly unbekannt war. Boltec & Co Financial Consulting, Feldbacher Weg 23 hier in Fischbach. Sie entnahm einem der geöffneten Umschläge das Schreiben und erkannte einen Kontoauszug.
* * *
»Herr Jülich?« Lasse stand im Büro des Stallmeisters.
»Lasse, was ist los?« Er schrieb etwas in eine Akte hinein und klappte sie zu.
»Ich wollte fragen, ob ich heute etwas früher gehen könnte, mir ist irgendwie nicht gut.«
Jülich legte den Kopf leicht schief.
»Wirst du krank? Doch nicht so kurz vor der Prüfung.«
»Nein, nein, ich denke, ich habe einfach nur zu wenig Schlaf gehabt. Ich hab viel gelernt, und jetzt ist mir irgendwie schwindelig.«
»Schwindelig, soso«, sagte Jülich. »Es hat doch nichts mit dem Vorfall vorhin zu tun, oder?«
»Sie meinen das mit Shelly? Nein, nein. Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist. Sie ist manchmal etwas komisch zu mir.«
Jülich legte die Unterarme auf den Tisch und beugte sich interessiert vor. »Was meinst du damit?«
»Na ja, sie ist …« Lasse fand, dass dies ein guter Zeitpunkt war, um Shelly eins auszuwischen. »Sie hat mich öfter zu sich nach Hause eingeladen. Aber ich habe abgelehnt. Sie ist nett und so, aber … mein Gott, sie ist doppelt so alt wie ich …«
»Verstehe«, sagte Jülich ernst und etwas verunsichert. Er sah auf seine Armbanduhr. »Na ja, ist ja nur noch eine Stunde. Also, geh und leg dich ’n bisschen hin. Ich möchte, dass du morgen wieder fit bist. Und wenn nicht, geh bitte gleich zum Arzt.«
»Ja, mach ich. Vielen Dank.«
Lasse verließ das Büro, und schlagartig änderte sich sein Gesichtsausdruck. Seine leidende, kränkliche Miene, die er extra für Jülich aufgesetzt hatte, wich einem konzentrierten, fokussierten Blick, hinter dem Wut lauerte. Eine Menge Wut.
* * *
Shelly fotografierte den Ausdruck mit ihrem Handy und legte das Blatt zurück in den Umschlag. Jetzt widmete sie sich den Dateien in Lasses Computer. Zumindest wollte sie das, aber ein Passwort hielt sie davon ab. Sie tippte zunächst einfach Leifs Namen in die Maske ein, aber das war falsch. Sie überlegte und versuchte es mit »Schwarzenegger«. Auch ein Fehlschlag. »Terminator« war ihr dritter Versuch, und da sprang das Bild plötzlich um, und Windows öffnete sich mit dem typischen Signalton. Ein Lächeln trat auf ihr Gesicht, und ihr Herzschlag beschleunigte. Jetzt war sie drin in der Höhle des Löwen. Sie suchte zuallererst nach dem Ordner »Videos«, weil sie hier den Film von Sara und Hofstätter vermutete, doch dort waren nur die üblichen Beispielvideos gelistet. Egal, welchen Ordner sie außerdem öffnete, es waren keine verdächtigen Dateien zu finden. Sie pfiff tonlos und wippte auf dem Stuhl auf und ab, was keine Geste der Entspannung, sondern der Nervosität war. Sie musste etwas finden, doch die Zeit lief ihr davon. Wie gefährlich ihr Unterfangen war, darüber wollte sie erst gar nicht nachdenken. Simon, Sara und nun auch Peter brauchten ihre Hilfe.
Sie ging die Ordnernamen erneut durch und fragte sich, wo sie selbst zuletzt suchen würde. Manchmal war es sinnvoll, Dinge an Orten zu verstecken, die einem so vertraut waren, dass man nicht auf die Idee kam, dort zu suchen. Sie klickte auf »Bilder«. Dort waren an die zwanzig Ordner gelistet, die Titel trugen wie »Italien 2008«, »Osterfeuer 2009«, »Turnier Regensburg« und »Turnier Bad Bentheim«. Shelly ging jeden Ordner durch und prüfte, ob sich versteckte Dateien darin befanden. Erfolglos. Dann fiel ihr etwas ein. Wenn man Videos von etwas machte und auf den Computer lud, musste man auch ein Videobearbeitungsprogramm besitzen. Das Einzige, das sie fand, war Windows Movie Maker. Sie öffnete es und wollte gerade in der Liste der Projekte nachschauen, als sie ihr Handy vibrieren spürte. Es war Sara. Shelly ging ran und flüsterte: »Ja?«
»Shelly, du musst da raus, Lasse kommt früher nach Hause. Schnell!«
Kaum dass Shelly aufgelegt hatte, hörte sie auch schon Schritte auf der Treppe. Sie verlor keine Zeit, klickte schnell auf »Herunterfahren« und blickte sich panisch im Zimmer
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