Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
nach Neusüdwales mit? Außerdem würde er dort erst in Quarantäne müssen.
Wer jault da? Nein, es ist die Orgel.
»Was suchst du, Mensch, bis in den Tod? Du suchst so viel, und Eins ist not!« Wenn der Pastor nicht nuschelt, sondern singt, hat er einen schönen Bariton, der schwebt der Gemeinde voran.
»Wohlauf, wohlan zum letzten Gang.« Es hilft nichts. Berndorf weiß jetzt, dass er mit den Frauen reden muss. Unweigerlich werden sie ihn dann zum Essen einladen.
Und was, bitte, willst du mit des Propheten altem Hund?
Die Männer von der Freiwilligen Feuerwehr Wieshülen wuchten den Sarg hoch. Rechts vorne Marzens Erwin, Kommandant. Rot das Gesicht, vor Würde oder Rührung oder beidem. Das Gewicht kann es nicht sein. Zeitlebens war Jonas Seiffert ein hoch gewachsener kräftiger Mann gewesen. Aber der Krebs oder die Therapie oder beides zusammen hatten zuletzt nicht mehr viel an ihm gelassen.
Der Sarg wird durchs Kirchenschiff getragen, und Berndorf wirft einen Blick auf das, was er für die australischen Seiffert-Frauen hält. Aber sie halten die Köpfe gesenkt.
Eine Bankreihe weiter wartet das »Tagblatt« darauf, dass Berndorf zu ihm aufschließt. Berndorf lässt einen schwergewichtig schnaufenden Lodenmantelträger vorbei, der nach dem Vorstand des Hegerings aussieht.
Keine Lust auf ein Geplauder. Was soll ich dir erzählen, dass es ein Zeitungsmensch wie du begreift und nicht durcheinanderbringt? Von einem Landgendarmen, der doch ein Prophet war und den der HErr in die große Stadt gesandt hat? Nein, es war nicht der HErr, dessen Namen wir nicht kennen. Es waren die Herren im Polizeipräsidium oder noch weiter oben, die ihn haben versetzen lassen, und ihre Namen will keiner mehr wissen.
Langsam, Stufe für Stufe, steigen die Männer die Wendeltreppe von der Empore herab. Der Vorstand vom Hegering ist womöglich doch keiner. Einen Kick zu lodenmantelmäßig. Drei Stufen weiter dieser Hollergoller.
Draußen fährt nassforscher Novemberwind in die Gesichter und vertreibt fürs Erste den Kirchendunst, diesen Geruch von Kerzenlicht und alten Leuten. Berndorf kommt an einem Familiengrab vorbei und nickt, wieder wartet vor ihm der Mensch, von dem Berndorf nun plötzlich weiß, daß er Hollerbach heißt, und diesmal gibt es kein Entrinnen.
Kurzer Händedruck.
»Sie waret doch au Kolleg zu ihm?«
Halblaut, aber mit voller Wucht schlägt ihm Mundgeruch ins Gesicht.
Kurzes Murmeln, das als Zustimmung gedeutet werden kann.
»In Stuttgart?«
Zu viel Magensäure. Kein Wunder. Immer im Stress. Die ewig unlösbaren Rätsel des deutschen Satzbaus und der Orthographie. Was sich die Leute aufregen, wenn ihr Name mal ein bisschen falsch in der Zeitung steht.
Eine von der Osteoporose nach vorne gekrümmte Frau blickt scharf zu Berndorf hoch und gleich wieder weg, noch ehe er grüßen kann.
Mit uns beiden wird es nichts mehr in diesem Leben.
»Ja, in Stuttgart.«
Warum geht es nicht weiter? Auch noch Reden am Grab?
»Ich hätt’ gern mal mit Ihnen über die Zeit damals…«
»Für den Nachruf?« Das fehlte noch.
»Nein, net direkt…«
Bis knapp unters Kreischen erhebt sich eine Stimme.
Der lodengrüne Rücken schiebt sich zurück und drängt den Reporter Hollerbach gegen Berndorf. Vorne, wo das offene Grab sein sollte, kommt Bewegung auf. Halblaute Anweisungen, mehr gezischt als gerufen, flehentlich fast und offenbar ungehört.
Ein Verdacht überkommt Berndorf. Er schiebt sich an dem Lodengrünen vorbei und steigt über ein Grab und noch ein zweites und umgeht auf dem äußeren Friedhofsweg den Zug der Trauermäntel, der irgendwie in Unordnung geraten ist, und kommt so schließlich zu dem Hügel aus Lehmbrocken und Albgestein, der neben einer offenen Grube aufgeworfen ist. Schräg davor, als habe man ihn hastig abgestellt, steht der Sarg auf dem Weg. Dahinter hat der Pfarrer Zuflucht gesucht und hinter ihm die beiden australischen Frauen und wiederum hinter ihnen ein jüngerer bebrillter Mann mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er leider auch grad keinen passenden Paragraphen zur Hand.
Der neue Ortsvorsteher? Vor dem Sarg lauert Marzens Erwin, die Gesichtsfarbe ins Hochrot-Violette verfärbt, gebückt versucht er sich dem zu nähern, was vor dem ausgehobenen Grab steht.
Vor dem Grab steht der Hund. Groß und knochig und mit durchgebissener Leine hat Felix, der Boxer des Propheten, vor der Grube Aufstellung genommen und leidet es nicht, dass man seinen Herrn da hineintut. Auf seinem
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