Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
hat er geglaubt, die Vergangenheit sei vergessen und vorbei. Vielleicht hat er sogar verdrängt, dass die Beziehung zwischen Marielouise und Autenrieth auch danach noch weiterging. Aber warum soll ich ihm die Augen öffnen? Übrigens muss ich Marielouise nicht vor einem Mordprozess schützen. Den wird es nicht geben. Wo wären die Beweise?«
»Da ist zum Beispiel das Taschenbuch mit den angefangenen Rätseln.«
»Das kann irgendwo gefunden worden sein«, entgegnet Berndorf. »Und damit beweist es gar nichts mehr. Außerdem ist es weg, gone with the wind, ich glaube, ich hab’s versehentlich zum Altpapier getan. Sorry.«
Barbara schweigt.
»Irgendetwas passt dir nicht«, stellt Berndorf nach einer Weile fest.
Barbara schweigt noch immer. »So ganz fein ist das ja nicht, diesen Menschen zu erschießen, einfach so«, sagt sie schließlich. »Du bist doch sonst nicht so leichtfüßig über einen Mord hinweggegangen?«
»Ein Mord war es nicht«, meint Berndorf.
»Was dann?«
»Allenfalls ein Totschlag im Affekt«, antwortet er. »Ich nehme an, Autenrieth hat mit Marielouise noch einmal seinen Spaß haben wollen. Vielleicht hatte er sie auch schon abserviert und es war sie, die noch eines von diesen schrecklichen letzten Gesprächen haben wollte. Er wird ihr erklärt haben, dass er ins Ausland geht, und sie wird gesagt haben, nimm mich mit… Vielleicht hat sie ihm auch gesagt, dass sie schwanger ist, Pascal ist im Mai 1992 geboren. Beeindruckt hat ihn das nicht, schließlich ist er wegen seiner Beziehung zu Marielouise erpressbar geworden. Ich bin sicher, dass er ihr die Schuld daran gegeben hat.«
Berndorf stellt sich vor Barbara hin. »Spielen wir das doch mal nach…«
»Mag nicht die verstoßene Frau spielen«, sagt Barbara.
»Es geht auch so«, meint Berndorf und hebt seine Stimme. »Das glaubst du doch selbst nicht, Schätzchen, dass ich dich da mitnehme? Wie ist es denn gekommen, dass du in meinem Bett gelandest bist, und wer hat dich da hingeschickt? Du hast ja sehr schön die verfolgte Dissidentin gegeben, fast hätte ich dir’s geglaubt. Aber jetzt hab ich die Stasi am Hals, warum wohl? Ich denke, du …«
»Genug«, ruft Barbara.
»Eben«, sagt Berndorf. »Das wird Marielouise auch gefunden haben. Und vermutlich war das Gewehr gerade zur Hand, und so hat sie’s halt genommen. Vielleicht wollte sie es ihm nur über den Kopf schlagen, das hätte sie schon dürfen, niemand kann von ihr verlangen, dass sie sich als Stasi-Hure beschimpfen lässt. Ja, und dann löst sich ein Schuss … Wenn es so war, war es eine fahrlässige Tötung, oder bestenfalls eine Körperverletzung mit Todesfolge. War es anders und Marielouise hat ihn wirklich und eigenhändig erschossen, dann war’s eben ein Totschlag im Affekt… Das eine wie das andere scheint mir mit Marielouises Haft im DDR-Knast längst abgegolten. Außerdem kann ich nicht erkennen, was an dem Schicksal des Constantin Autenrieth so besonders unverdient sein soll.«
»Selbstjustiz haben wir aber eigentlich noch nie so besonders gut gefunden«, wendet Barbara ein. »Und wie sie die Leiche dann entsorgt hat …, also mir sieht das nicht sehr nach einem Unglück und auch nicht nach einem Affekt aus. Einem toten Mann den Bauch aufschneiden, ich bitte dich!«
»Das war ein wenig krass«, räumt Berndorf ein. »Aber sie hat als junge Frau einmal in einer Tierklinik volontiert. Offenbar hat sie dort einen recht unbefangenen Zugriff gelernt.«
Er macht eine Pause. Warum erzählst du ihr nichts von dem Luftröhrenschnitt? Weil du nicht für sie hausieren gehen musst. »Jedenfalls macht es keine Mörderin aus ihr«, fährt er fort. »Vergiss nicht, dass sie den Koffer mit Autenrieths 50 000 Mark Reisegeld gleich mit in das Wasserloch geworfen hat.« »Geld war ihr eben nicht wichtig.«
Berndorf überlegt.
Kann es sein, dass es Frauen, wenn es um andere Frauen geht, gelegentlich an Nachsicht und schwesterlicher Liebe mangelt?
»Das soll vorkommen«, antwortet er schließlich, »dass Geld manchen Leuten nicht so wichtig ist. Der Weg des Himmels nimmt von denen, die zu viel haben, um denjenigen zu geben, die zu wenig haben. Hab ich im TaoTe King nachgelesen. Ich kenne jemand, der verteilt Koffer mit 300000 Schweizer Franken drin, und dann gibt es erst recht Ärger.«
»Das ist noch gar nichts«, sagt Barbara wegwerfend. »Du weißt ja gar nicht, was auf dem Konto wirklich war.«
»Ach ja? Ich denke schon die ganze Zeit, dass du mir das irgendwann mal
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