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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Lavington hieß, und hatte vage Gerüchte über sein Ansehen als Mediziner gehört. Da Jack jedoch kein häufiger Besucher der Harley Street war, hatte ihm dieser Name wenig oder eigentlich gar nichts bedeutet.
    Heute Morgen spürte er wieder diese stille Beobachtung. Es erschreckte ihn ein wenig. War ihm sein Geheimnis schon deutlich ins Gesicht geschrieben, so deutlich, dass es jeder sehen konnte? Wusste dieser Mann durch seine berufliche Erfahrung, dass bei ihm irgendetwas nicht stimmte? Jack schauderte bei diesem Gedanken. War es wahr? Wurde er wirklich langsam wahnsinnig? War die ganze Sache tatsächlich eine Halluzination, oder erlaubte sich doch nur jemand einen Scherz mit ihm?
    Plötzlich kam ihm eine Idee, wie er der Sache auf die Spur kommen könnte. Bisher war er bei seinen Runden immer allein gewesen. Angenommen, jemand war bei ihm? Dann musste eines von drei Dingen passieren: der Schrei wiederholte sich überhaupt nicht; sie könnten ihn beide hören; oder nur er allein würde ihn hören.
    An diesem Abend begann er seinen Plan in die Tat umzusetzen. Lavington war der Mann, den er dazu brauchte. Eine Unterhaltung anzubahnen, war nicht schwer. Dem älteren Mann mochte es vielleicht ganz recht sein. Es war klar, dass Jack ihn aus dem einen oder anderen Grund interessierte. So ergab es sich fast von selbst, dass sie verabredeten, am folgenden Morgen vor dem Frühstück zusammen eine Partie Golf zu spielen.
    Kurz vor sieben machten sie sich auf den Weg. Es war ein herrlicher Tag, strahlend und wolkenlos, aber noch nicht zu warm. Der Doktor spielte gut, Jack jämmerlich. Er dachte nur an den Schrei. Immer wieder schielte er verstohlen auf seine Armbanduhr. Sie erreichten die siebte Markierung – zwischen dieser und dem nächsten Loch lag das Landhaus – ungefähr um zwanzig Minuten nach sieben. Das Mädchen stand, wie immer, im Garten, als sie vorbeikamen. Sie sah nicht auf.
    Die beiden Golfbälle lagen im Gras, Jacks in der Nähe des Loches, der des Doktors ein wenig weiter weg.
    »Das ist meiner«, sagte Lavington. »Ich glaube, ich muss etwas kräftiger zuschlagen.«
    Er bückte sich und schätzte die Strecke ab. Jack starrte auf die Uhr. Es war genau fünfundzwanzig Minuten nach sieben.
    Der Ball huschte über das Gras, stoppte vor dem Loch, zögerte und fiel hinein.
    »Ein guter Schlag«, lobte Jack. Mit einem Seufzer der Erleichterung schob er seine Uhr am Arm hinauf. Es war nichts geschehen. Der Zauber war gebrochen.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, eine Minute zu warten«, sagte er, »würde ich mir gern eine Pfeife stopfen.«
    Sie verweilten kurze Zeit bei der achten Markierung.
    Jack füllte seine Pfeife und zündete sie mit zitternden Händen an. Eine große Last schien ihm von der Seele genommen zu sein.
    »Gott, was für ein schöner Tag!«, rief er und genoss die Aussicht. »Machen Sie weiter, Lavington, Sie sind dran.«
    Und dann hörte er es. Gerade in dem Moment, als der Doktor zuschlug. Eine Frauenstimme, schrill und gequält.
    »Mord! Hilfe! Mord!«
    Die Pfeife fiel Jack aus der Hand. Er schnellte in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Dann starrte er atemlos auf seinen Begleiter.
    Lavington beschattete seine Augen mit der Hand und blickte auf den Rasen.
    »Ein bisschen kurz«, sagte er, »aber ich glaube, er ist doch noch hineingerutscht.«
    Er hatte nichts gehört!
    Die Welt schien sich verkehrt um Jack zu drehen. Er wankte.
    Als er wieder zu sich kam, lag er auf dem kurz geschnittenen Rasen, und Lavington beugte sich über ihn.
    »So, schön ruhig bleiben, es ist ja alles gut!«
    »Was ist passiert?«
    »Sie wurden ohnmächtig, junger Mann. Zumindest sah es so aus.«
    »Mein Gott!«, stöhnte Jack.
    »Was ist los? Stimmt etwas nicht mit Ihnen?«
    »Ich erzähle es Ihnen gleich, aber zuerst möchte ich Sie etwas fragen.«
    Der Arzt zündete seine Pfeife an und setzte sich auf eine Bank.
    »Fragen Sie alles, was Sie wollen«, sagte er tröstend.
    »Sie haben mich in den letzten paar Tagen beobachtet. Warum?«
    Lavington zwinkerte mit den Augen und antwortete: »Das ist eine ziemlich direkte Frage. Ich darf Sie doch anschauen.«
    »Halten Sie mich nicht hin. Ich meine es ernst. Warum? Ich habe einen triftigen Grund für diese Frage.«
    Lavingtons Gesicht wurde ernst.
    »Ich will Ihnen ganz ehrlich antworten. Ich entdeckte an Ihnen alle Anzeichen einer akuten Belastung, unter der Sie zu leiden haben. Selbstverständlich interessierte es mich, herauszufinden, was der Grund

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