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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ein einfacher Satz, der langsamen Weise des Violinparts aus »Rienzi« nicht unähnlich. Sie wurde wieder und wieder gespielt, lief von Schlüssel zu Schlüssel, von Harmonie zu Harmonie, immer steigend, und erreichte bei jedem Mal eine größere und grenzenlosere Freiheit.
    Hamer hatte nie etwas ähnlich Schönes gehört. Es war eine besondere Eigenart darin, etwas Inspirierendes – etwas, das nach oben strebte… Hamer hielt sich krampfhaft mit beiden Händen an einem Vorsprung der Mauer neben sich fest. Er war sich nur einer Sache bewusst – er musste sich festhalten, koste es, was es wolle: Er musste sich festhalten…
    Plötzlich wurde er gewahr, dass die Musik aufgehört hatte. Der Mann ohne Beine griff nach seinen Krücken. Da stand er, Silas Hamer, und krallte sich noch immer wie ein Mondwandler an einem Steinvorsprung fest, allein aus dem einfachen Grund, weil er die widersinnige Empfindung hatte – lächerlich, wenn man darüber nachdachte –, als erhebe er sich vom Boden, als trüge ihn die Musik nach oben…
    Er lachte. Was für eine idiotische Vorstellung! Natürlich hatten seine Füße keinen Moment lang den Boden verlassen, welch merkwürdige Halluzinationen. Das rasche Aufschlagen von Holzstangen auf dem Bürgersteig sagte ihm, dass der Krüppel davonhumpelte. Hamer sah ihm nach, bis die Gestalt des Mannes von der Dunkelheit verschluckt war. Komischer Kauz!
    Langsam setzte Hamer seinen Weg fort; doch er konnte die Gedanken an dieses merkwürdige Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, nicht loswerden.
    Und dann, einem plötzlichen Impuls folgend, machte er kehrt und folgte eilig dem Mann, der in die andere Richtung gegangen war. Der Mann konnte noch nicht weit sein – Hamer würde ihn bald eingeholt haben.
    Er rief, sobald er der verstümmelten Gestalt ansichtig geworden war, indem er langsamer weiterging: »Hallo, Moment mal!«
    Der Mann hielt inne, bewegungslos, bis er eingeholt war. Eine Straßenlaterne brannte genau über seinem Kopf und erleuchtete jeden seiner Gesichtszüge. Silas Hamer hielt unwillkürlich den Atem an, so überrascht war er. Der Mann besaß einen einmalig schönen Kopf – den schönsten, den Hamer je gesehen hatte. Sein Alter war nicht zu bestimmen; sicherlich war er kein junger Mann mehr, und doch waren die vorherrschenden Ausdruckszüge Jugend und Kraft in leidenschaftlicher Intensität.
    Hamer fand es sonderbar schwierig, eine Unterhaltung zu beginnen.
    »Schauen Sie«, sagte er linkisch, »ich möchte gern wissen, was Sie da gerade gespielt haben.«
    Der Mann lächelte… Mit seinem Lächeln schien plötzlich die Welt in lauter Fröhlichkeit getaucht.
    »Es war ein altes Lied, ein sehr altes Lied – Jahre alt… Jahrhunderte alt.«
    Er sprach mit eigentümlicher Reinheit und Deutlichkeit der Formulierung, wobei er jede Silbe gleichermaßen als kostbar betonte. Er war offensichtlich kein Engländer. Hamer konnte seine Nationalität nicht erraten.
    »Sie sind kein Engländer, nicht wahr? Woher kommen Sie?«
    Wieder das breite, fröhliche Lächeln.
    »Ich bin über das Meer gekommen, Sir – vor langer Zeit – sehr langer Zeit.«
    »Sie müssen einen bösen Unfall gehabt haben. War das vor Kurzem?«
    »Es ist schon einige Zeit her, Sir.«
    »Ein schlimmes Unglück, beide Beine zu verlieren.«
    »Es war gut so«, sagte der Mann ruhig. Er wandte seine Augen in feierlichem Ernst seinem Befrager zu. »Sie waren böse.«
    Hamer gab ihm einen Shilling in seine Hand und ging fort. Er war verwirrt und wusste mit der Antwort nichts anzufangen. Wie komisch, so zu sprechen. Wahrscheinlich eine Amputation wegen einer Krankheit, aber – wie sonderbar das geklungen hatte: »Sie waren böse.«
    Hamer ging gedankenverloren nachhause. Er versuchte vergeblich, den Vorfall zu vergessen. Als er im Bett lag und sich die ersten Anzeichen von Schläfrigkeit bemerkbar machten, hörte er die Turmglocke in der Nachbarschaft eins schlagen. Ein klarer Schlag, dann Ruhe, die durch einen schwachen, bekannten Ton unterbrochen wurde… Langsam kroch die Erinnerung in sein Bewusstsein. Hamer spürte, wie sein Herz schneller schlug. Es war der Mann aus der Seitenstraße, irgendwo spielte er wieder – nicht weit entfernt.
    Die Töne kamen fröhlich, die langsame Wendung mit ihrem lustigen Ruf, derselbe jagende kleine Satz…
    »Es ist unheimlich«, murmelte Hamer, »es ist unheimlich. Es hat Flügel…«
    Klarer und klarer, höher und höher, jeder Ton erhob sich über den vorhergehenden,

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