Der Hund des Todes
Hamer war ergriffen. Diesmal wehrte er sich nicht, er gab sich dem hin… hoch… hinauf… Die Wellen der Töne schwangen höher und höher… Triumphierend und frei stiegen sie gen Himmel.
Höher und höher… Sie hatten die Grenze irdischer Töne überstiegen, doch sie setzten sich fort – aufsteigend, immer noch aufsteigend… Würden sie ihr höchstes Ziel erreichen, die vollkommene Erlösung?
Dann zog ihn etwas herunter, etwas Großes, Schweres und sich festklammerndes. Es zog ihn rücksichtslos wieder zur Erde herunter…
Hamer lag im Bett und schaute zum Fenster. Während er schwer und schmerzlich atmete, streckte er seinen Arm aus dem Bett heraus. Diese Bewegung kam ihm merkwürdig schwierig vor. Die Weichheit des Bettes war bedrückend, bedrückend auch die schweren Vorhänge vor dem Fenster, die die Luft aussperrten. Die Zimmerdecke schien auf ihn herabzustürzen. Er fühlte sich beengt und unfrei. Er rührte sich leicht unter der Bettdecke, und das Gewicht seines eigenen Körpers erschien ihm als das Erdrückendste von allem…
2
»Ich möchte Ihren Rat hören, Seldon.«
Seldon stieß seinen Stuhl ein paar Zentimeter vom Tisch ab. Er hatte sich schon insgeheim nach dem Grund dieses Essens zu zweit gefragt. Er hatte Hamer seit dem vergangenen Winter kaum mehr gesehen, und heute Abend bemerkte er eine undefinierbare Veränderung an seinem Freund.
»Wissen Sie, es ist ganz einfach das«, sagte der Millionär, »ich mache mir Sorgen um mich selbst.«
Seldon lächelte, als er ihn über den Tisch hinweg ansah.
»Sie sehen aus, als ob Sie Bäume ausreißen möchten.«
»Das ist es nicht«, Hamer hielt einen Moment lang inne, dann fügte er ruhig hinzu: »Ich fürchte, ich werde wahnsinnig.«
Der Nervenspezialist blickte plötzlich mit unverhohlenem Interesse auf. Er goss sich langsam ein Glas Portwein ein, bevor er ruhig fragte, indem er den anderen scharf ansah: »Wie kommen Sie darauf?«
»Auf Grund eines Erlebnisses – auf Grund von etwas Unerklärlichem, Unglaublichem. Es kann nicht wahr sein, daher bleibt nur die Möglichkeit: Ich muss offenbar wahnsinnig werden.«
»Lassen Sie sich Zeit«, sagte Seldon, »erzählen Sie mir erst mal von dem Erlebnis.«
»Ich glaube nicht an das Übernatürliche«, begann Hamer. »Ich habe nie daran geglaubt. Aber das… Nun, es ist am besten, wenn ich Ihnen die ganze Geschichte von Anfang an erzähle. Es begann im vergangenen Winter, genau an dem Abend, als ich bei Ihnen zu Abend gegessen hatte.«
Dann erzählte er kurz und genau die Erlebnisse während seines Heimwegs und die merkwürdige Wirkung, die sie auf ihn gehabt hatten.
»So fing alles an. Ich kann es nicht genau beschreiben – dieses Gefühl, ich meine aber, es war wundervoll! So ganz anders als alles, was ich bisher gefühlt und geträumt habe. Seitdem ist es so weitergegangen. Nicht jede Nacht, nur hin und wieder. Die Musik – das Gefühl, emporgetragen zu werden; dieser aufsteigende Flug und dann der schreckliche Zug nach unten, das Heruntergezogenwerden zur Erde zurück, anschließend die Schmerzen, die echten körperlichen Schmerzen des Erwachens. Es ist so, als ob man von einem hohen Berg herabkäme. Sie kennen doch den beklemmenden Druck in den Ohren, nicht? Ja, das ist genau dasselbe, nur schlimmer – dazu ein bedrückendes Empfinden der eigenen Schwere, als wäre man gefangen, als würde man gewürgt…«
Hamer unterbrach sich, es entstand eine Pause.
»Meine Dienstboten denken, ich bin verrückt geworden. Ich konnte das Dach und die Wände nicht mehr ertragen – ich ließ mir einen Platz auf dem Dach, oben auf dem Haus, herrichten; direkt unter freiem Himmel, ohne jedes Möbelstück, da wurden die Häuser um mich herum zum gleichen Albdruck. Das offene Land ist es, was ich mir wünsche, wo man atmen kann…« Er sah Seldon an. »Nun, was sagen Sie dazu? Können Sie mir das erklären?«
»Hm«, machte Seldon. »Ein ganzer Haufen von Erklärungen. Sie sind hypnotisiert worden, aber Sie haben sich selbst hypnotisiert. Ihre Nerven funktionieren nicht mehr richtig. Es kann auch ganz einfach nur ein Traum sein.«
Hamer schüttelte den Kopf. »Keine von diesen Erklärungen passt.«
»Dann gibt es noch andere«, sagte Seldon langsam, »aber die sind nicht allgemein anerkannt.«
»Würden Sie sie anerkennen?«
»Im Großen und Ganzen, ja! Es gibt viel, was wir nicht verstehen und was wir unmöglich auf normale Weise erklären können. Unsere Wissenschaft ist noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher