Der Hund des Todes
Augen waren weit aufgerissen. Und plötzlich, mit dem Aufschrei einer verfluchten Seele, stürzte sie rücklings durch die offen stehende Tür.
Ich war sofort bei ihr, beugte mich über sie und nickte Settle zu.
»Los«, sagte ich. »Bring ihn vorsichtig nach oben, und komm dann wieder herunter, Lady Carmichael ist tot.«
Nach wenigen Minuten war er wieder da.
»Was ist los?«, fragte er. »Wodurch?«
»Durch einen Schock«, sagte ich verbissen. »Durch den Schock, Arthur Carmichael, den wirklichen Carmichael, dem Leben wiedergegeben vor sich zu sehen! Oder, wie ich lieber sagen würde: durch ein Gottesurteil!«
»Du meinst…« Er zögerte.
Ich blickte ihm in die Augen, sodass er verstand.
»Leben um Leben«, sagte ich betont.
»Aber…«
»O nein! Ich weiß, dass ein seltsamer und unvorhergesehener Zufall es der Seele Arthur Carmichaels ermöglichte, in seinen Körper zurückzukehren. Aber trotzdem ist Arthur Carmichael vorher ermordet worden.«
Fast ängstlich blickte er mich an. »Mit Blausäure?«, fragte er leise.
»Ja«, erwiderte ich. »Mit Blausäure.«
Über das, was wir glaubten, haben Settle und ich nie gesprochen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es auch unglaubhaft. Entsprechend den orthodoxen Ansichten litt Arthur Carmichael lediglich an Gedächtnisschwund, zerfleischte Lady Carmichael sich den Hals in einem vorübergehenden Anfall von Wahnsinn, und das Auftreten der grauen Katze beruhte auf bloßer Einbildung.
Es existieren jedoch zwei Tatsachen, die meiner Ansicht nach unmissverständlich sind. Da ist einmal der zerfetzte Sessel im Korridor. Der zweite Punkt ist noch bedeutsamer. Tatsächlich wurde der Bibliothekskatalog gefunden, und nach gründlicher Suche zeigte sich, dass es sich bei dem fehlenden Buch um ein altes und seltsames Werk über die Möglichkeiten handelte, menschliche Geschöpfe in Tiere zu verwandeln!
Und schließlich noch etwas. Dankbar kann ich heute sagen, dass Arthur nichts davon weiß. Phyllis hat das Geheimnis dieser Wochen in ihr Herz eingeschlossen, und ich bin überzeugt, dass sie es ihrem Mann nie verraten wird, den sie aufrichtig liebt und der beim Erklingen ihrer Stimme über die Grenze des Grabes wieder zurückkehrte.
Rolltreppe ins Grab
1
S ilas Hamer bekam es zum ersten Mal an einem winterlichen Abend im Februar zu hören. Er und Dick Borrow waren nach einem Essen, das Bernard Seldon, der Nervenspezialist, gegeben hatte, nachhause spaziert. Borrow war ungewöhnlich schweigsam gewesen, und Silas Hamer hatte ihn mit einiger Neugier gefragt, worüber er denn nachdächte. Borrows Antwort war anders als erwartet.
»Ich dachte gerade, dass von all diesen Männern heute Abend nur zwei von sich behaupten können, glücklich zu sein. Und diese beiden, komisch genug, sind du und ich!«
Das Wort »komisch« war angemessen, denn zwei Männer konnten gar nicht unterschiedlicher sein als Richard Borrow, der viel beschäftigte Pfarrer vom Ostende der Stadt, und Silas Hamer, der aalglatte, selbstgefällige Mann, der seine Millionen mit seiner Kenntnis von Haushaltswaren erworben hatte.
»Es ist merkwürdig, weißt du«, Borrow dachte laut, »ich glaube, du bist der einzige zufriedene Millionär, den ich je getroffen habe.«
Hamer schwieg einen Moment lang. Als er wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme verändert.
»Ich war ein armseliger, vor Kälte schlotternder kleiner Zeitungsjunge. Damals wollte ich – jetzt habe ich es erreicht – Geld für Komfort und Luxus, nicht seine Macht. Nicht, um damit zu herrschen, sondern um es verschwenderisch auszugeben – für mich selbst. Ich bin ehrlich, was das betrifft, siehst du. Mit Geld kann man alles kaufen, sagt man. Das stimmt. Und weil ich mir alles das kaufen kann, was ich mir wünsche, deshalb bin ich zufrieden. Ich bin Materialist, Borrow, ein Materialist durch und durch.«
Das grelle, blendende Licht der erleuchteten Hauptverkehrsstraße bestätigte sein Glaubensbekenntnis. Die gedrungene Gestalt Silas Hamers wirkte in dem schweren, pelzgefütterten Mantel noch breiter, und das weiße Licht unterstrich die dicken Fleischrollen unterhalb seines Kinns. Im Gegensatz dazu spazierte neben ihm Dick Borrow mit schmalem asketischem Gesicht und den glühenden Augen eines Fanatikers.
»Du bist es«, ergänzte Hamer mit Nachdruck, »den ich nicht verstehen kann.«
Borrow lächelte.
»Ich lebe mitten im Elend, in Armut und Hunger – in allen Krankheiten des Fleisches. Nur eine Vision beherrscht mich und
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