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Der Hund des Todes

Der Hund des Todes

Titel: Der Hund des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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zustoßen könnte.«
    Simone wandte sich ab.
    »Ich war so entsetzlich erschöpft, als ich aufwachte«, murmelte sie. »Raoul, bist du sicher – bist du ganz sicher, dass das alles wirklich ist? Du weißt, was die gute alte Elise darüber denkt: dass da der Teufel mit im Bunde ist.«
    Sie lachte unsicher.
    »Du weißt aber auch, was ich darüber denke«, sagte Raoul ernst. »Jeder Umgang mit Unbekannten ist gefährlich, doch der Zweck ist gut und edel, denn der Zweck dient der Wissenschaft. In der ganzen Welt hat es Märtyrer für die Wissenschaft gegeben, Pioniere, die selber den Preis bezahlten, damit andere sicher ihren Fußspuren folgen konnten. Du hast jetzt zehn Jahre lang für die Wissenschaft gearbeitet, und es hat dich ungeheure Nervenbelastung gekostet. Jetzt hast du dein Teil beigetragen. Von heute ab wirst du frei und glücklich sein.«
    Sie lächelte ihn liebevoll an. Sie hatte ihre Ruhe wiedergewonnen. Dann sah sie auf die Uhr.
    »Madame Exe hat sich verspätet«, murmelte sie. »Vielleicht kommt sie gar nicht.«
    »Doch, sie kommt bestimmt«, sagte Raoul. »Deine Uhr geht ein bisschen vor, Simone.«
    Simone ging ruhelos im Zimmer umher.
    »Ich möchte nur wissen, wer diese Madame Exe ist«, bemerkte sie. »Woher sie kommt. Es ist doch merkwürdig, dass wir nichts über sie wissen.«
    Raoul zuckte die Achseln.
    »Die meisten Leute bleiben, wenn möglich, inkognito, wenn sie zu einem Medium gehen«, sagte er. »Das gehört zu den elementaren Vorsichtsmaßregeln.«
    »Das wird es wohl sein«, stimmte Simone zu.
    Eine kleine chinesische Vase, die sie gerade in der Hand hielt, entglitt ihren Fingern und zersprang vor dem Kamin in Scherben. Sie drehte sich rasch zu Raoul um.
    »Siehst du«, murmelte sie, »ich bin entsetzlich nervös. Raoul, würdest du mich für sehr – feige halten, wenn ich Madame Exe absage?«
    Als sie sein schmerzliches Erstaunen bemerkte, wurde sie rot.
    »Du hast es aber doch versprochen, Simone…«, begann er sanft.
    Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand.
    »Ich will nicht, Raoul. Ich will nicht!«
    Sein vorwurfsvoller Blick ließ sie zusammenfahren.
    »Ich denke dabei nicht an das Geld, Simone, obwohl du zugeben musst, dass die Summe, die sie uns für diese Sitzung angeboten hat, fantastisch ist.«
    Sie entgegnete heftig:
    »Es gibt Dinge, die wichtiger sind als Geld.«
    »Da hast du sicher Recht«, pflichtete er bei. »Das sage ich ja die ganze Zeit. Überleg doch einmal – diese Frau ist Mutter, eine Mutter, die ihr einziges Kind verloren hat. Wenn du nicht richtig krank bist, wenn es nur eine Laune deinerseits ist – dann kannst du wohl einer reichen Frau eine Kaprice abschlagen, aber kannst du es einer Mutter verwehren, wenn sie ein letztes Mal ihr Kind sehen will?«
    Das Medium streckte verzweifelt die Arme aus.
    »Oh, du quälst mich«, flüsterte sie. »Und doch hast du Recht. Ich will also tun, was du verlangst, aber jetzt weiß ich, wovor ich solche Angst habe – es ist das Wort Mutter.«
    »Simone!«
    »Es gibt ganz bestimmte primitive, elementare Kräfte, Raoul. Die meisten davon sind durch den Einfluss der Zivilisation überlagert, aber die Muttergefühle sind noch ebenso stark wie eh und je. Tiere – Menschen, darin sind sie gleich. Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind ist so stark wie nichts anderes in der Welt. Sie kennt keine Gesetze, kein Mitleid, sie wagt alles und tritt rücksichtslos alles nieder, was ihr im Wege steht.«
    Sie hielt inne, rang nach Luft, wandte sich dann ihm zu und sagte mit einem flüchtigen, entwaffnenden Lächeln:
    »Ich bin heute albern, Raoul, ich weiß.«
    Er umarmte sie.
    »Leg dich noch ein wenig hin«, drängte er. »Ruh dich aus, bis sie kommt.«
    »Ja, du hast Recht.« Sie lächelte ihm zu und ging aus dem Zimmer.
    Raoul blieb eine Zeit lang in Gedanken verloren stehen. Dann ging er zur Tür, öffnete sie und schritt über den kleinen Flur. Er betrat den Raum auf der anderen Seite des Flurs, ein Wohnzimmer, das dem, das er gerade verlassen hatte, sehr ähnlich sah. Doch hier gab es einen Alkoven, in dem ein großer Sessel stand. Ein schwerer schwarzer Samtvorhang war so angebracht, dass er vor den Alkoven gezogen werden konnte. Elise war damit beschäftigt, den Raum herzurichten. Vor den Alkoven hatte sie zwei Stühle geschoben und einen kleinen runden Tisch. Auf dem Tisch lag ein Tamburin, ein Horn, Papier und Bleistifte.
    »Das letzte Mal«, murmelte Elise mit grimmiger Zufriedenheit. »Ach, Monsieur, ich wünschte,

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