Der Hund des Todes
bist großartig, Simone.«
Er nahm ihre Hände in die seinen; er versuchte, etwas von seiner Begeisterung auf sie zu übertragen.
»Du bist einmalig – das größte Medium, das die Welt je gekannt hat.«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte ein wenig darüber.
»Doch, doch«, beharrte Raoul.
Er zog zwei Briefe aus seiner Tasche.
»Sieh her, einer von Professor Roche, und dieser von Dr. Genir aus Nancy. Beide bitten darum, dass du gelegentlich weiter für sie Sitzungen abhalten sollst.«
»Nein!«
Simone sprang plötzlich auf.
»Ich will nicht! Ich will nicht! Es muss aufhören – endlich muss Schluss sein. Du hast es mir versprochen, Raoul!«
Raoul sah sie fassungslos an, wie sie dastand und mit den Händen abwehrte und ihn anstarrte wie ein verängstigtes Tier, das sich angegriffen fühlt. Er stand auf und ergriff wieder ihre Hände.
»Aber ja«, sagte er. »Gewiss hört das auf, das ist ja abgesprochen. Aber ich bin so stolz auf dich, Simone. Nur deswegen habe ich dir diese beiden Briefe gezeigt.«
Sie warf ihm einen raschen Seitenblick voll Misstrauen zu.
»Es ist nicht, weil du willst, dass ich wieder für sie Séancen abhalte?«
»Nein, nein«, sagte Raoul, »es sei denn, du möchtest es vielleicht selbst, nur so gelegentlich für alte Freunde…«
Sie unterbrach ihn mit erregter Stimme.
»Nein, nein! Nie wieder. Da ist Gefahr. Ich sage dir, ich kann es fühlen. Große Gefahr.«
Sie presste ihre Hände vor die Stirn, dann ging sie zum Fenster.
»Versprich es mir. Nie wieder!«, sagte sie mit ruhigerer Stimme über die Schulter.
Raoul trat zu ihr und legte seine Arme um sie.
»Liebste«, sagte er voll behutsamer Zärtlichkeit, »ich verspreche dir, dass du ab morgen keine Séance mehr abhalten wirst.«
Er spürte, wie sie zusammenzuckte.
»Ab morgen?«, murmelte sie. »Ach ja, ich hatte ganz vergessen. Madame Exe – heute Abend.«
Raoul sah auf seine Uhr.
»Sie müsste eigentlich gleich kommen. Aber, Simone, falls du dich nicht wohl fühlst…«
Simone schien ihm kaum zuzuhören. Sie hing ihren eigenen Gedanken nach.
»Sie ist – eine merkwürdige Frau, Raoul, eine ganz merkwürdige Frau. Weißt du – mich ergreift in ihrer Gegenwart fast das Entsetzen.«
»Simone!«
In seiner Stimme lag ein Vorwurf, und sie verstand schnell.
»Ja, ja, ich weiß, du bist wie alle Franzosen, Raoul. Für dich ist eine Mutter etwas Heiliges, und es ist wenig nett von mir, so von ihr zu sprechen, da sie so großen Kummer wegen ihres Kindes hat. Aber – ich kann es nicht erklären, sie ist so groß und so schwarz, und ihre Hände – hast du einmal auf ihre Hände geachtet, Raoul? Große, dicke, starke Hände, so stark wie die eines Mannes!«
Sie schüttelte sich ein wenig und schloss die Augen. Raoul ließ sie los und sagte fast kalt: »Ich kann dich wirklich nicht verstehen, Simone. Wirklich nicht. Eine Frau sollte doch Mitgefühl für eine Mutter empfinden, der man das einzige Kind genommen hat.«
Simone machte eine ungeduldige Handbewegung.
»Ach, du verstehst mich nicht! Ausgerechnet du nicht, mein Freund! Ich kann mir aber nicht helfen. Vom ersten Moment an, wo ich sie sah, spürte ich…« Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Angst! Erinnerst du dich? Es hatte lange gedauert, bis ich einwilligte, für sie die erste Sitzung abzuhalten. Ich war sicher, dass sie mir auf irgendeine Art Unglück bringt.«
Raoul zuckte die Achseln.
»Tatsache ist, dass sie das genaue Gegenteil zustande brachte«, sagte er trocken. »Alle Sitzungen mit ihr waren ein großartiger Erfolg. Der Geist der kleinen Amelie war sofort fähig, dich zu lenken, und die Materialisierungen waren wirklich schlagend. Professor Roche hätte bei der letzten Sitzung dabei sein sollen.«
»Materialisierungen«, sagte Simone leise. »Sag mir, Raoul, du weißt doch, ich merke nichts von dem, was geschieht, wenn ich in Trance bin. Sind diese Materialisierungen wirklich so wunderbar?«
Er nickte begeistert.
»Bei den ersten Sitzungen wurde die Gestalt des Kindes wie in einer Art Nebelwolke sichtbar«, erklärte er, »aber in der letzten Sitzung…«
»Was war da?«
Er fuhr mit sanfter Stimme fort:
»Simone, das Kind, das da stand, war ein richtiges lebendiges Kind aus Fleisch und Blut. Ich habe es sogar berührt, aber als ich merkte, dass dir diese Berührung große Schmerzen bereitete, habe ich Madame Exe nicht erlaubt, es auch anzufassen. Ich fürchtete, sie könnte die Selbstbeherrschung verlieren, und dass dir etwas
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