Der Hund im Kuehlschrank
einer anderen Perspektive erzählt. Auch hier vertieft man die Bildhaftigkeit im Erzählen, denn jeder Bildbetrachter sieht das Geschehen mit anderen Augen. Erzählen Sie beispielsweise die Geschichte vom »Schatz unter der Brücke« (siehe S. 81f.) aus der Sicht des Wachmanns auf der Brücke. Dann aus der Sicht des kleinen Hauses mit den bunten Fensterläden. Und schließlich aus der Sicht der Brücke in Prag.
Seit dreißig Jahren bin ich schon Polizist in Prag. Seit zehn Jahren bewache ich die alte Brücke und regle dort den Verkehr. Einmal ist mir etwas Merkwürdiges passiert. Ich habe einen Mann beobachtet, der angefangen hat, mit einem Spaten Löcher in den Brückenboden zu stechen. Auch hat er die steinerne Brüstung abgeklopft und sich überhaupt sehr seltsam benommen. Nach drei Tagen habe ich ihn angesprochen . . .
Der Mann, der in mir wohnt, ist angenehm und sympathisch, aber auch ein bisschen langweilig. Tagein, tagaus macht er dieselben Dinge. Bis eines Tages. Da hat er auf einmal seinen Rucksack gepackt und ist fortgegangen . . .
Seit Jahrhunderten stehe ich am selben Fleck. Aber langweilig wird es mir nie. Denn auf mir ist immer etwas los. Auf mir sind schon unzählige Menschen von der einen Seite des Flusses auf die andere gebracht worden. Einmal – und daran erinnere ich mich noch gut – kam ein Mann und hat angefangen, mich ganz genau zu untersuchen . . .
Auch dieser Spielimpuls lässt sich auf das Erzählen im Alltag übertragen. Wechseln Sie auch hier einmal bewusst die Perspektive. Schildern Sie ein Alltagserlebnis aus der Sicht Ihres Hundes oder erzählen Sie, wie beispielsweise Ihre Füße den Tag erlebt haben . . . Oder versetzen Sie sich nach einem Streit mit einem Kollegen in diesen hinein und schildern Sie abends Ihrem Partner, was dieser Kollege wohl abends seiner Frau über den Streit mit Ihnen erzählen wird . . . Ein solcher Perspektivenwechsel kann viel zurechtrücken und manchmal auch interessante Einsichten bringen.
Der Froschkönig rückwärts Eine Geschichte über das Spiel mit Bekanntem
Es war eine der schönsten Hochzeiten, die je gefeiert wurden. Die Tische waren mit Seerosen geschmückt, und die Braut trug eine wunderbare, aus Seegras geflochtene Krone auf dem Kopf. Die Grillen zirpten, die Frösche quakten. Kurzum, es war ein so romantischer Hochzeitsabend, wie man ihn sich nur wünschen kann. Schnell war vergessen, welche Tragödie dem Fest vorausgegangen war.
Im Schlafzimmer der Braut hatte sich am Abend zuvor eine hässliche Szene abgespielt. Voller Zorn und Ekel hatte nämlich die jüngste Tochter des Königs – eben jene, die jetzt die Brautkrone trug – ihren zukünftigen Gemahl mit aller Kraft gegen die Wand geworfen! Man wundert sich möglicherweise, wie das zugegangen sein soll, dass solch ein zartes, feingliedriges Mädchen so einen stattlichen, kräftigen Mann . . .
Nun, das lag daran, dass dieser Mann zu diesem Zeitpunkt eine andere Gestalt hatte. Er war ein dicker, grünbrauner, glitschiger, glibberiger Frosch mit Glupschaugen und nassen Füßen! Und wer will so einen schon in seinem Bett haben!? Allerdings hatte er sich keineswegs heimlich ins Schlafzimmer der Königstochter gestohlen, sondern ganz höflich am Schlosstor angeklopft – schließlich war er ein geladener Gast. »Quak, quak, Königstochter jüngste, hier bin ich, wie versprochen, mach mir die Türe auf.«
Die Königstochter saß beim Abendessen im Saal und hätte dem Frosch niemals geöffnet, wäre da nicht ihr Vater, der König, gewesen. Und der war ein Mann mit Grundsätzen: »Wenn du den Frosch eingeladen hast und ihm versprochen hast, die Tür zu öffnen, dann bitte ihn auch zu Tisch.« Da musste die Prinzessin gestehen, dass sie das Tier tatsächlich in ihrem Leichtsinn eingeladen hatte, denn am Vormittag desselben Tages hatte sie beim Spiel am Brunnen ihre goldene Kugel ins Wasser fallen lassen, und eben jener Frosch war ihr bei der Wiederbeschaffung behilflich gewesen.
Tja, und wäre das spielende Mädchen nicht gerade die jüngste Tochter des Königs gewesen, die so schön wie die Sonne selbst war, so hätte sich der Frosch wohl nicht sofort in sie verliebt und auch nicht als Belohnung für die goldene Kugel ihre Liebe und Freundschaft gefordert.
All dies trug sich zu in den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat.
Es war einmal . . .
Rhythmus – »Ich spüre den Herzschlag einer Geschichte!«
»Im Atemholen sind zweierlei
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