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Der Hund im Kuehlschrank

Der Hund im Kuehlschrank

Titel: Der Hund im Kuehlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Carla Gerndt
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Sicherheit. Formelhaftigkeit schafft Entspannung und Vertrauen. Der oder die Zuhörer lassen sich ein, wenn sie die Worte »Es war einmal . . .« hören. Sie wissen, dass sie nun eintauchen dürfen in eine Märchenwelt, sie fühlen sich geborgen und gehalten von einem Rahmen, der ihnen vertraut ist. Besonders
bei Kindern spürt man, wie sehnlich sie auf bestimmte Formeln warten. Erst dann scheint ihre Welt in Ordnung zu sein, die Entspannung perfekt. In jedem Kasperltheater lässt sich erleben, mit welcher Begeisterung die kleinen Besucher auf die Frage »Seid ihr alle da?« mit einem inbrünstigen »Ja« antworten. Jedes Kind kennt die Formel, jedes Kind weiß, was zu tun ist, und genau von diesem Moment an sitzen sie alle im selben Boot, schließen sich zu einer Hörergemeinschaft zusammen und öffnen sich für die Geschichte. Dasselbe gilt für das Ende: Nach dem berühmten Schlusssatz: »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute« kann jeder Erzähler beruhigt den Mund schließen und seine Zuhörer zurück in die Realität entlassen. Doch man sollte sich nicht täuschen: Nicht nur Kinder genießen diese vertrauten Formeln. Auch Erwachsene sehnen sich nach Ritualen, die Gesprächssituationen klar umgrenzen.
     
    In Alltagsgesprächen fehlen solche festen Formeln in der Regel. Gerade hier würde es aber guttun, wenn Anfang und Ende deutlicher markiert wären. Stellen Sie sich vor, es wäre üblich, immer nachdem man etwas Längeres erzählt hat, zu sagen: »Schnipp, schnapp, schnaus, meine Rede ist jetzt aus!« oder: »Da läuft eine Maus, meine Geschichte ist aus!« Jeder wüsste dann, woran er ist, und die Konzentration, die beim Zuhören entstanden ist, würde in ein entspanntes Ausatmen münden.
     
    In anderen Kulturen, beispielsweise im Orient, in Afrika oder auch in indianischen Gemeinschaften, gibt es das Ritual einer Wechselrede zu Beginn einer erzählerischen oder auch musikalischen Darbietung. Der Sprecher bzw. Musiker tauscht dabei ritualisierte Sätze mit seinen Zuhörern aus und versichert sich
auf diese Weise, dass alle bereit sind, die Ohren zu spitzen und sich mit Leib und Seele auf das Kommende einzulassen. Erst nach dieser »Aufwärmphase« beginnt die eigentliche Erzählung oder das Konzert. Wem dieser Brauch nicht vertraut ist, mag ungeduldig werden und das Hin und Her der Worte als langatmig und überflüssig empfinden. Letztlich sind aber genau diese wiederkehrenden Formeln entscheidend, damit sich Erzähler und Zuhörer auf einen gemeinsamen Rhythmus einschwingen. Ebenso wie Sprachformeln sind auch das Anzünden einer Kerze, das Ausschenken einer Tasse Tee oder der Ton einer Klangschale Möglichkeiten, die Aufmerksamkeit zu bündeln und Menschen einzustimmen, sich auf ein Gespräch einzulassen.
    Struktur und Spiel
    Die Erzählqualität des Rhythmus bringt die beiden bereits beschriebenen Qualitäten Struktur und Spiel zusammen. Im Rhythmus ist beides vorhanden. Jede Komposition braucht eine klare Form und zugleich Freiräume für Variationen und überraschende Wendungen. Eine gute Rede ist wie ein Musikstück. Sie hat ein bestimmtes Thema, kennt Wiederholungen und Tonfolgen, spielt und variiert diese in unterschiedlicher Weise und endet schließlich häufig mit dem Grundton, der den Kreis schließt und Anfang und Ende miteinander verbindet. Rhythmus spielt mit Harmonien und Dissonanzen, mit Höhen und Tiefen, mit dem Tempo. Rhythmus kennt Gleichschritt und Chaos. Rhythmus ist der individuelle Herzschlag einer jeden Geschichte.
     
    Die Stop-&-Go-Übung (siehe S. 95ff.) ist auch eine hervorragende Rhythmusübung. Sie bringt die rechte und linke Gehirnhälfte in einen intensiven Austausch, denn es geht um den ständigen
Wechsel von Wort zu Bild und von Bild zu Wort. Mal verweilt man eine Weile in der inneren Bilderkammer (STOP) und verlangsamt das Tempo. Dann heißt das Kommando plötzlich wieder GO, und die Worte müssen schnell und gezielt kommen und die Handlung vorantreiben. Struktur und Spiel sind im Gespräch wie Standbein und Spielbein. Wer beim Reden nicht sicher auf seinem Standbein ruht, wirkt nervös und verliert irgendwann den Faden. Wer jedoch sicheren Halt hat, kann rundherum mit seinem Spielbein improvisieren und Pirouetten schlagen. Für einen ausdrucksvollen Tanz mit Worten braucht man beide Beine!
    Mit Worten tanzen
    Erzählen und Tanzen haben vieles gemeinsam. Menschen kommen in einen Dialog. Erzähler und Zuhörer sind einem Tanzpaar vergleichbar. Der

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