Der Hund im Kuehlschrank
eine führt, der andere spürt, und gemeinsam formt sich dabei etwas Neues, Eigenes, Schöpferisches. Im Tanz ist es die Musik, die ein Paar miteinander verbindet, im Erzählen ist es die Geschichte. Das gemeinsame Lauschen, das Hineinspüren, das Mitschwingen, das Weiterphantasieren – all das inspiriert Tänzer wie Redner.
Im argentinischen Tango lässt sich die Kommunikation über den tanzenden Körper vielleicht am eindrücklichsten beobachten. Dieser Tanz entstand um 1900 in den verarmten Hafenvierteln von Buenos Aires und erzählt in besonderer Weise seine eigene Geschichte. Eine einfache Grundform an Schrittkombinationen wird von Mann und Frau im Tanz gehend und drehend unendlich variiert und interpretiert, sodass sich mit jeder Begegnung und jedem Tangostück eine einzigartige Kommunikation entspinnt. Auch hier geht es, wie beim Wechseln von Worten, wesentlich
um Senden und Empfangen, um Sprechen und Zuhören, um den gemeinsamen Kanal und das Gestalten einer Geschichte. Die Frau lauscht dem Mann und seinen Führungsimpulsen. Der Mann lauscht der Frau und ihren Antworten und Interpretationen. Beide aber lauschen der Musik, den Tönen und Rhythmen und formen daraus ihr eigenes Bild.
»Wenn du sprechen kannst, kannst du auch singen. Wenn du gehen kannst, kannst du auch tanzen«, sagt ein indianisches Sprichwort. Singen und Tanzen als schöpferisch-kreative Fortführung des normalen Sprechens bzw. Gehens bedeutet eine Intensivierung der Kommunikation. Mehr Bewegung, mehr Ausdruck, mehr Rhythmus. Es entsteht eine größere Palette an Möglichkeiten, eine umfangreichere Klaviatur, auf der gespielt werden kann. Wer singt und tanzt, atmet das Leben in seiner ganzen Bandbreite. Er spürt den Herzschlag seiner Geschichte!
Authentizität – »Ich überzeuge mit dem, was ich bin!«
»Für die Zuhörer gibt es nichts Schlimmeres
als einen unglaubwürdigen Erzähler –
einen, der so tut als ob.« [Ref 10]
(Rafik Schami)
Authentizität – »Ich überzeuge mit dem, was ich bin!«
Wer Wesentliches erzählt, zeigt dabei etwas von seinem Wesen. Manchen Menschen hört man zu und ist begeistert. Und wenn man fragt, was genau es ist, was ihr Reden so sympathisch macht, dann heißt es häufig: »Er oder sie ist so authentisch!« Aber was bedeutet das eigentlich – Authentizität? Woran merke ich, dass ein Mensch authentisch ist?
Sich selbst vertrauen
Authentizität ist nichts Gemachtes, nichts Aufgesetztes, kein Rollenspiel, sondern ein Ausdruck, der von innen kommt. Wenn jemand ganz bei sich ist, auf seine Intuition, seine Impulse, sein ureigenes Wesen vertraut, dann ist er authentisch. Dieser natürliche Ausdruck gelingt am besten in Situationen, in denen man entspannt ist und nicht weiter über sich nachdenkt. Wenn man die Kontrolle abgibt und man das zulässt, was ganz von selbst von innen nach außen kommen will. Es geht um Natürlichkeit, um die eigene Natur, um das eigene Wesen.
Wie oft glauben wir, wir müssten anders sein, als wir sind! Wir strengen uns mächtig an, anderen zu gefallen und den vermeintlichen Erwartungen zu genügen – gerade auch in Gesprächen. Wir versuchen, mit unserem Wissen zu glänzen, wollen mit unserer Ausdrucksfähigkeit überzeugen oder andere mit unserer Schlagfertigkeit beeindrucken. Gern verstecken wir uns dafür hinter einer Rolle und zeigen uns nicht so, wie wir wirklich sind. Es erfordert Mut, persönlich zu werden.
Den eigenen Ausdruck finden
Wer etwas von sich selbst erzählt, kann nicht aus seiner Haut schlüpfen. Es gibt keine Maske, die ihn verbirgt, kein Kostüm, das verhüllt, keinen Scheinwerfer, der nur bestimmte Seiten beleuchtet. Wenn man (s)eine Geschichte erzählt, ist man nackt, offen, angreifbar.
Darum ist es wichtig, seine Stimme, seine Sprache und seinen Körperausdruck gut zu kennen und vor allem auch wertzuschätzen. Ich erlebe in meinen Erzählkursen immer wieder, dass sich Menschen beispielsweise wegen ihres muttersprachlichen Dialekts schämen. Sie wollen perfektes Hochdeutsch sprechen und glauben, nur dann käme das, was sie sagen, bei anderen an. Dabei ist es in einer natürlichen Erzählkultur genau andersherum: Freuen Sie sich, wenn Sie einen Dialekt sprechen! Es gibt kaum einen authentischeren Ausdruck als einen Dialekt, den man von Kindesbeinen an gehört und gesprochen hat. Dialekte sind erdverbunden und unmittelbar. Sie kommen direkt aus dem Herzen und kennen Worte, die man in der Hochsprache vergeblich sucht. Ich
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