Der Hund von Baskerville
Wir hielten ein Stück weiter die Straße hinunter und warteten dort etwa anderthalb Stunden. Dann kamen die zwei Herren zu Fuß an uns vorbei, und wir folgten ihnen die Baker Street hinunter und dann die...«
»Ich weiß«, sagte Holmes.
»...die Regent Street drei Viertel hinunter. Da öffnete der Herr plötzlich die Klappe und rief mir zu, ich sollte sofort auf schnellstem Wege zum Waterloo-Bahnhof fahren. Ich schlug auf die Stute ein, und so schafften wir es in weniger als zehn Minuten. Dann zahlte er mir, anständig wie er war, seine zwei Guineen und verschwand im Bahnhof. Aber in dem Augenblick, als er gerade gehen wollte, drehte er sich noch einmal um und sagte: >Vielleicht interessiert es Sie zu wissen, daß Sie heute Mr. Sherlock Holmes gefahren haben.< Auf diese Weise erfuhr ich seinen Namen.«
»Ich verstehe. Und Sie haben ihn nicht mehr zu sehen bekommen?«
»Nicht mehr, nachdem er im Bahnhof verschwunden war.«
»Könnten Sie diesen Mr. Sherlock Holmes beschreiben?«
Der Kutscher kratzte sich den Kopf. »Nun, eigentlich war er nicht so ein Herr, wie man ihn leicht beschreiben kann. Ich schätze sein Alter so um die vierzig, er war mittelgroß, etwas kleiner als Sie, Sir. Er war angezogen wie ein feiner Herr und hatte einen schwarzen Bart, der unten eckig geschnitten war, und ein blasses Gesicht. Das ist alles, was ich weiß.«
»Seine Augenfarbe?«
»Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Nichts sonst, an das Sie sich erinnern könnten?«
»Nein, Sir, nichts.«
»Nun denn, hier ist Ihr Silberstück. Es wartet noch eins auf Sie, wenn Sie mir noch mehr Information bringen können. Guten Abend!«
»Guten Abend, Sir, und vielen Dank auch!«
John Clayton lachte befriedigt in sich hinein, als er uns verließ, und Holmes wandte sich mit einem Achselzucken und einem schiefen Lächeln zu mir um.
»Plötzlich verläuft auch unsere dritte Spur im Sande, und wir sind wieder da angelangt, wo wir am Anfang waren«, sagte er. »Der durchtriebene Schuft! Er kannte unsere Hausnummer, wußte, daß Sir Henry Baskerville mich konsultiert hatte, und in der Regent Street hatte er sofort heraus, wer ich war. Er mutmaßte, daß ich mir die Nummer der Droschke gemerkt hätte und auf diese Weise den Kutscher zu fassen kriegen würde. So revanchierte er sich, indem er mir diese Frechheit bestellen ließ. Ich sage Ihnen, Watson, diesmal haben wir es mit einem Gegner zu tun, der uns ebenbürtig ist. In London bin ich mattgesetzt. Ich kann nur wünschen, daß Sie in Devonshire mehr Glück haben. Aber mir ist ganz und gar nicht wohl dabei.«
»Wobei?«
»Dabei, daß ich Sie dorthin schicke. Es ist ein schmutziges Geschäft, Watson, ein schmutziges und gefährliches Geschäft. Je mehr ich davon zu sehen bekomme, desto weniger gefällt es mir. Ja, mein lieber Freund, Sie mögen lachen, aber ich sage Ihnen, ich werde froh sein, wenn ich Sie heil und gesund wieder hier habe.«
6. KAPITEL
Schloß Baskerville
Sir Henry Baskerville und Dr. Mortimer waren am verabredeten Tag reisefertig, und wir brachen wie geplant nach Devonshire auf. Mr. Sherlock Holmes fuhr mit mir zum Bahnhof und gab mir noch letzte Anweisungen und Ratschläge.
»Ich will Sie nicht beeinflussen, Watson, indem ich jetzt Theorien entwickle oder Verdachtsgründe ausspreche«, sagte er. »Sie sollen mir nichts weiter als Tatsachen berichten, und dies so ausführlich wie möglich. Das Theoretisieren können Sie dann getrost mir überlassen.«
»Was für Tatsachen?« fragte ich.
»Alles, was irgendwie, und wenn auch nur indirekt, mit dem Fall zu tun hat. Vor allem interessieren mich die Beziehungen zwischen dem jungen Baskerville und seinen Nachbarn oder irgendwelche Details, die Sir Charles betreffen. Ich habe in den letzten Tagen selbst ein paar Erkundigungen eingeholt, aber das Resultat, fürchte ich, ist negativ. Nur eines scheint gewiß zu sein, nämlich daß Mr. James Desmond, der nächste Erbe, ein ganz reizender älterer Herr ist, so daß diese merkwürdigen Nachstellungen nicht von ihm ausgehen werden. Ich glaube, wir können ihn ganz und gar aus unseren Überlegungen herauslassen. Es bleiben die Leute übrig, die tatsächlich auf dem Moor in Sir Henrys Umgebung leben.«
»Wäre es nicht gut, zunächst einmal das Ehepaar Barrymore loszuwerden?«
»Auf keinen Fall. Wir könnten keinen größeren Fehler machen. Sind sie unschuldig, wäre es ein grausames Unrecht; und wenn sie schuldig sind, würden wir unsere Chance aufgeben, sie zu
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