Der Hund von Baskerville
Grasnarbe sprang er hinterher und schwenkte dabei sein grünes Netz in der Luft. In seiner grauen Kleidung und wie er sich so Zickzack fortbewegte, sah er beinahe selbst wie ein großer Schmetterling aus. Ich stand da und schaute der Verfolgungsjagd zu. Halb bewunderte ich seine außerordentliche Wendigkeit, halb hatte ich Angst um ihn, daß er in dem trügerischen Moor einen Fehltritt tun könnte.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, und als ich mich umdrehte, stand ich auf dem Pfad einer Frau gegenüber. Sie war aus der Richtung gekommen, in der ich, nach der Rauchfahne aus dem Schornstein zu urteilen, Haus Merripit vermutete. Jedoch hatte sie eine Bodensenke so lange verdeckt, bis sie dicht vor mir stand.
Ohne Zweifel war dies Miss Stapleton. Auf dem Moor lebten sehr wenige Damen, so daß nur sie es sein konnte. Jemand hatte sie mir als Schönheit beschrieben. Die Frau, die mir gegenüberstand, war ganz gewiß schön, wenn auch von etwas ungewöhnlicher Art. Sie hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihrem Bruder. Stapleton hatte helles Haar und graue Augen, während sie dunkler war als jede Brünette, die ich je in England gesehen habe. Dazu war sie schlank, groß und elegant. Sie hatte ein stolzes, feingeschnittenes Gesicht mit so regelmäßigen Zügen, daß man es für ausdruckslos gehalten hätte, wären da nicht der sensible Mund und die schönen dunklen, lebendigen Augen gewesen. Mit ihrer vollkommenen Figur und dem eleganten Kleid war sie gewiß eine fremdartige Erscheinung auf diesem einsamen Moorpfad. Als ich mich nach ihr umdrehte, waren ihre Augen auf ihren Bruder gerichtet, und sie kam schneller auf mich zu. Ich hatte meinen Hut abgenommen und war dabei, einige erklärende Bemerkungen zu machen, als ihre Worte meinen Gedanken eine ganz andere Richtung gaben.
»Gehen Sie zurück!« sagte sie. »Gehen Sie sofort zurück nach London! Sofort!«
Ich konnte sie bloß in dümmlicher Überraschung anstarren. Ihre Augen blitzten mich an, und sie stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.
»Warum sollte ich zurückfahren?« fragte ich.
»Das kann ich Ihnen nicht erklären«, sagte sie mit leiser, bewegter Stimme, in der ein kleiner Lispelton mitschwang. »Aber um Gotteswillen, tun Sie, was ich Ihnen sage. Gehen Sie fort und betreten Sie niemals wieder das Moor.«
»Aber ich bin doch gerade erst angekommen.«
»O Mann, Mann, können Sie nicht auf die Warnung eines Menschen hören, der nur Ihr Bestes will? Reisen Sie nach London zurück! Reisen Sie noch heute abend! Sehen Sie zu, daß Sie von hier wegkommen, koste es, was es wolle! — Still, mein Bruder kommt! Kein Wort von dem, was ich gesagt habe. — Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir diese Orchidee dort zwischen den Schachtelhalmen zu pflücken? Wir haben hier auf dem Moor sehr viele Orchideen, nur kommen Sie etwas zu spät in der Jahreszeit, um diese Landschaft in ihrer vollen Schönheit zu erleben.«
Stapleton hatte die Verfolgung aufgegeben und kam zu uns zurück. Er war von der Anstrengung gerötet und atmete schwer.
»Hallo, Beryl«, sagte er, und es schien mir, als sei der Ton der Begrüßung nicht sonderlich warm und freundlich.
»Na, Jack, du bist reichlich erhitzt.«
»Ja, ich habe einen Cyclopides gejagt. Er ist selten und im Spätherbst wohl noch seltener zu finden. Wirklich schade, daß er mir davongeflogen ist!«
Er sprach leichthin und unbekümmert, aber seine kleinen hellen Augen wanderten unablässig zwischen der Frau und mir hin und her. »Wie ich sehe, hast du dich schon selbst bekanntgemacht.«
»Ja, und ich sagte gerade zu Sir Henry, er sei etwas zu spät gekommen, um das Moor in seiner ganzen prächtigen Schönheit zu erleben.«
»Wieso Sir Henry? Was glaubst du, wer da vor dir steht?«
»Ich denke mir doch, daß es Sir Henry ist.«
»Nein, nein«, rief ich, »ich bin ein einfacher, bürgerlicher Mann, aber sein Freund. Ich bin Dr. Watson.«
Röte überflutete ihr ausdrucksvolles Gesicht. »Dann habe ich sie für jemand anderen gehalten«, sagte sie.
»Na, viel Zeit für Unterhaltung war wohl nicht«, bemerkte ihr Bruder mit fragenden Augen.
»Ich habe Dr. Watson wie jemanden angesprochen, der ständig hier wohnt, dabei ist er nur ein Besucher. Da kann es ihn natürlich nicht sonderlich interessieren, ob es spät oder zeitig für die Orchideen ist. Aber Sie werden mit uns kommen, um Haus Merripit zu sehen, nicht wahr?«
Nach einer kurzen Strecke waren wir da. Wir standen vor einem düsteren Moorhaus.
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