Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hund von Baskerville

Der Hund von Baskerville

Titel: Der Hund von Baskerville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
wenn er nach Coombe Tracey kam. Er war ein sehr zurückhaltender Mann und bevorzugte es, in der Stille Gutes zu tun.«
    »Aber wenn Sie ihn so selten gesehen und ihm so wenig geschrieben haben, wie konnte er dann Ihre Lage kennen und Ihnen helfen?«
    Sie hatte auf diesen Einwand sofort eine Erklärung bei der Hand.
    »Da waren ein paar Herren, die meine traurige Lage kannten und sich zusammentaten, um mir zu helfen. Einer von ihnen war Mr. Stapleton, ein Nachbar und guter Freund von Sir Charles. Erwar außerordentlich freundlich, und durch ihn erfuhr Sir Charles von meiner Lage.«
    Ich wußte bereits, daß Sir Charles in mehreren Fällen Stapleton zum Überbringer seiner Gaben gemacht hatte, so daß die Aussage der Dame der Wahrheit zu entsprechen schien.
    »Haben Sie jemals an Sir Charles einen Brief geschrieben, worin Sie ihn um eine Begegnung gebeten haben?« fuhr ich fort.
    Mrs. Lyons Gesicht überzog sich mit einer ärgerlichen Röte.
    »Wirklich, Sir, ich muß schon sagen: Das ist eine ungewöhnliche Frage.«
    »Es tut mir leid, gnädige Frau, aber ich muß sie wiederholen.«
    »Dann antworte ich: Ganz gewiß nicht!«
    »Auch nicht an jenem Tag, als Sir Charles starb?«
    Die Röte war augenblicklich aus ihrem Gesicht verschwunden, und sie saß totenblaß vor mir. Ihre trockenen Lippen konnten das »Nein« nicht aussprechen, das ich eher sah als hörte.
    »Sicherlich erinnern Sie sich nicht mehr genau«, sagte ich, »aber ich könnte Ihnen eine ganze Passage Ihres Briefes auswendig zitieren. Sie schrieben: >Bitte, bitte, so wahr Sie ein Gentleman sind, verbrennen Sie diesen Brief und seien Sie um zehn Uhr an der Pforte.<«
    Ich fürchtete schon, sie sei einer Ohnmacht nahe, aber mit größter Anstrengung hielt sie sich aufrecht.
    »Gibt es denn keinen Gentleman mehr?« stieß sie mühsam nach Atem ringend hervor.
    »Sie tun Sir Charles unrecht. Er hat den Brief zu verbrennen versucht, aber ein Teil des Briefes war nach dem Verkohlen noch lesbar. Geben Sie jetzt zu, daß Sie ihm geschrieben haben?«
    »Ja, ich habe den Brief geschrieben!« Wie ein Wasserschwall kamen nun die Worte aus ihr heraus. »Ich habe es geschrieben, warum sollte ich es leugnen? Ich habe keinen Grund, mich zu schämen. Ich wollte ihn bitten, mir noch einmal zu helfen. Ich glaubte, wenn ich eine persönliche Unterredung mit ihm hätte, würde er mir seine Hilfe nicht verweigern, und deshalb wollte ich gern, daß wir uns treffen.«
    »Aber warum zu einer so späten Stunde?«
    »Weil ich gerade erfahren hatte, daß er am nächsten Tag nach London reisen wollte und vielleicht monatelang fortbleiben würde. Aus verschiedenen Gründen konnte ich nicht eher dort hinkommen.«
    »Aber warum ein Rendezvous im Garten, anstatt ihn im Haus zu besuchen?«
    »Meinen Sie, daß eine Frau allein in das Haus eines Junggesellen gehen kann?«
    »Nun, was geschah, als Sie dort hinkamen?«
    »Ich bin nicht hingegangen.«
    »Mrs. Lyons!«
    »Nein, ich schwöre Ihnen, bei allem, was mir heilig ist: Ich bin nicht hingegangen. Mir ist etwas dazwischengekommen.«
    »Und was war das?«
    »Eine private Angelegenheit. Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Sie geben zu, daß Sie ein Treffen mit Sir Charles verabredet haben, genau an dem Ort und zu der Stunde, wo Sir Charles starb, aber Sie verneinen, daß Sie die Verabredung eingehalten haben.«
    »Das ist die Wahrheit.«
    Ich habe sie noch weiter ins Kreuzverhör genommen, aber mehr habe ich nicht herausbekommen.
    »Mrs. Lyons«, sagte ich, als ich mich von diesem langen, wenig aufschlußreichen Verhör erhob, »Sie laden eine schwere Verantwortung auf sich und bringen sich in eine ganz üble Lage, wenn Sie nicht absolut ehrlich alles sagen, was Sie wissen. Wenn ich erst die Polizei um Hilfe bitten muß, werden Sie sehen, wie tief Sie in der Sache drinstecken. Warum haben Sie es denn zunächst geleugnet, daß Sie Sir Charles an jenem Tag geschrieben haben, wenn sie unschuldig sind?«
    »Weil ich fürchtete, das könnte zu falschen Schlüssen Anlaß geben und zu einem Skandal führen.«
    »Und warum bestanden Sie mit solcher Dringlichkeit darauf, daß Sir Charles den Brief vernichten möge?«
    »Das wissen Sie ja wohl, wenn Sie den Brief gelesen haben.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich den ganzen Brief gelesen habe.«
    »Sie haben ein Stück daraus zitiert.«
    »Ich habe die Nachschrift zitiert. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, ist der Brief verbrannt, und nicht alles war mehr lesbar. Und darum frage ich Sie noch

Weitere Kostenlose Bücher