Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
Schussfeld hatte. Womit sie nicht gerechnet hatte, waren die Caddies, die jetzt eine schützende Mauer bildeten, hinter der David Stein vor ihr sicher war. Langsam ließ Leyla das Gewehr sinken, robbte zurück hinter die Büsche und holte das Smartphone aus ihrem Rucksack. Nachdenklich studierte sie den Lageplan des Botschaftsgeländes, aber die einzige Möglichkeit, näher an die Rennbahn heranzukommen, war, über den Hügel hinunterzulaufen. Doch mittlerweile war es bereits so hell, dass sie keine Chance hatte, ungesehen nach unten zu gelangen.
„Nur noch ein paar Minuten, dann ist meine Mission erfüllt!“, motivierte sie sich selbst und schraubte das Zielfernrohr von ihrem Gewehr, um es wieder als Fernrohr zu verwenden. Nachdem sie Gewehr und Rucksack in den Büschen versteckt hatte, schlich sie gebückt am Rand des Pinienwaldes entlang, bis sie eine gemauerte Terrasse mit einer steinernen Balustrade erreichte. Jetzt verstellten ihr zwar die beiden Caddies nicht mehr den Blick, doch das Schussfeld war trotzdem alles andere als optimal. Alle Personen standen in einer Reihe wie aufgefädelt auf dem Platz vor der Rennbahn und Stein war als Letzter fast gänzlich verdeckt. Leyla hob das Zielfernrohr und sah plötzlich Steins Gesicht im Profil groß im Fadenkreuz, als er sich leicht nach vorne beugte. Er wirkte angespannt und seine Kiefermuskeln zuckten. Eine ideale Schussposition, doch Leyla hatte ihr Gewehr nicht bei sich.
Geduckt lief sie zurück zu den Büschen, packte Gewehr und Rucksack, denn jetzt musste sie alles riskieren und durfte nicht länger warten! Als sie wieder auf der Terrasse war, sich auf den Boden kniete, um ihr Gewehr auf der Balustrade einzurichten, hörte sie lautes Motorengeräusch vom Vordereingang der Fitzgerald-Villa. Die ersten Handwerker waren schon eingetroffen, denn die Villa wurde im Augenblick renoviert. Leyla atmete hektisch und Schweiß stand ihr auf der Stirn, vermischte sich mit den Tarnfarben in ihrem Gesicht. Hier auf der Terrasse war sie komplett ohne Deckung. Jeder Handwerker, der zufällig aus dem Fenster nach draußen sah, würde sie sofort sehen. Aber dieses Risiko musste sie wohl oder übel eingehen, denn so knapp vor dem Ziel, so knapp vor dem Extrabonus mit einer Million Dollar konnte sie einfach nicht aufgeben. Wieder starrte sie durch das Zielfernrohr, aber Stein war jetzt wieder komplett von einem Frauenkopf verdeckt. Ihr Blick saugte sich an der Szene fest, mit ihren Gedanken wollte sie Stein zwingen, sich wieder nach vorne zu beugen, damit sie den tödlichen Schuss abgeben konnte, damit sie endlich frei von ihren Ängsten war.
Leylas Hände waren schweißnass, ihr Finger am Abzug juckte, am liebsten hätte sie die Waffe auf Dauerfeuer gestellt, einfach planlos nach unten geschossen, um die unerträgliche Anspannung zu lösen.
„Jetzt bloß nicht die Nerven wegwerfen!“, flüsterte sie und lehnte das Gewehr an die Balustrade, ließ sich daneben auf den Boden fallen und hielt sich die Hände an die pochenden Schläfen. Du schaffst es! Atme tief durch, konzentriere dich nur auf dein Ziel, blende alle anderen Bilder und Geräusche aus, du befindest dich in einem Tunnel, in dem es keine Ablenkung gibt, in dem sich nur am anderen Ende dein Zielobjekt befindet!
Durch ein gekipptes Fenster der Villa hörte sie Klopfen, Hämmern und laute Stimmen. Die Handwerker befanden sich bereits im Haus bei der Arbeit und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Leyla entdecken würden. Sie musste handeln! Mit den Ellbogen stützte sie sich auf der breiten Brüstung ab, das Gewehr war ruhig und sicher auf dem ausgeklappten Zweibein positioniert und ihre Hände waren jetzt kalt und trocken. Durch das Zielfernrohr sah sie, dass Stein noch immer von der Frau in dem pinkfarbenen Strandkleid, die ein Klemmbrett vor der Brust hielt, verdeckt wurde. Plötzlich kam unten eine hektische Betriebsamkeit auf.
Leyla konnte jetzt trotz der Entfernung auf der Terrasse die allgemeine Hektik spüren, die plötzlich alle Personen bei der Rennbahn erfasst hatte, jeder bewegte sich in eine andere Richtung und die Szenerie wurde komplett unübersichtlich. Mit dem Zielfernrohr wischte sie über Körper und Köpfe, verharrte auf Steins breitem Rücken, sein weißes Leinenhemd flatterte in der morgendlichen Brise und mit der Hand rieb er sich den Nacken. Endlich war er im Fadenkreuz.
Plötzlich hörte Leyla hinter sich Schritte und schrilles, disharmonisches Pfeifen. Im Bruchteil einer Sekunde
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