Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)

Wenn es der Hundeflüsterer nicht schafft, ihn zu bändigen, sind wir erledigt“, kommentierte der Botschafter die Szene.
    „Er muss es schaffen! Für den Hund eines TV-Produzenten hat er in Berlin wahre Wunder vollbracht. Das stand sogar in den Zeitungen! Ich bin da ganz optimistisch, schon damit wir überleben“, sagte der präsidiale Adjutant mit einem gekünstelt positiven Ausdruck im Gesicht und klopfte dem Botschafter noch aufmunternd auf die Schulter, ehe er das Hundehaus verließ.

12. Palma de Mallorca – Tötungsstation im Industriegebiet

    David Stein wusste, dass sein eigenmächtiges Handeln Konsequenzen nach sich ziehen würde, doch selbst in der grauen Welt der Geheimdienste versuchte er, zumindest einen kleinen Rest seiner wahren Persönlichkeit zu behalten. Dieses kleine Stückchen seiner echten Existenz, die sich unter den verschiedenen Lebensläufen und Identitäten, die er angenommen hatte, bald vollständig auflösen würde, war der Anker, der ihn erdete.
    Immer schon hatte sich David für Hunde interessiert und als er in das Schattenreich des Nachrichtendienstes eintrat, stellte er schnell fest, dass dort die Lüge als Wahrheit verkauft wurde und der Feind als Freund. Um nicht verrückt zu werden, hatte er schon früh eine Ausbildung zum Hundetrainer absolviert, denn die Arbeit mit Hunden in seiner Freizeit schien ihm die beste Therapie und der beste Ausgleich für seine Arbeit zu sein. Hunde können nicht lügen, Menschen hingegen logen immer. Bald sah David seine Aufgabe auch darin, möglichst vielen Hunden ein angenehmes Leben zu ermöglichen, um sich so für ihre positive therapeutische Wirkung auf seinen Verstand erkenntlich zu zeigen. Dazu gehörte auch sein monatlicher, fast schon ritueller Besuch in der Death Row einer staatlichen Tötungsstation.
    Deshalb war es David im Grunde auch vollkommen egal, ob ihn Robyn von der „Abteilung“ im Augenblick observierte oder nicht. Anstatt wie vereinbart nach Nizza zu fliegen, hatte David kurzerhand die Maschine nach Palma genommen und befand sich jetzt bereits im Landeanflug auf den Flughafen von Palma de Mallorca. David war zwar nicht abergläubisch, er spürte jedoch, dass ein Gelingen der Operation „Hundeflüsterer“ auch davon abhing, dass er seine Rituale einhielt, die ihm die innere Kraft gaben, sich auf einer mentalen Ebene mit den Hunden einzulassen und ihre Reaktionen nicht analytisch, sondern emotionell zu verstehen.
    Als er auf dem Weg in das Parkhaus war, wo er seine Enduro-Maschine geparkt hatte, summte wie erwartet sein Handy und als er das interne Skype aktivierte, sah er nur den blonden Haarschopf von Robyn, die wie üblich den Kopf gesenkt hatte und in ein iPad tippte.
    „Stein, Nizza ist der Zielflughafen. Was haben Sie in Palma zu schaffen?“ Es war eine rein rhetorische Frage, denn da Robyn seine Gewohnheiten lückenlos durchgecheckt hatte, war ihr sicher auch das Palma-Ritual aufgefallen.
    „Es ist der 3. August, Stein. Sie wissen sicher, dass Sie keine Zeit mehr für Ihren rituellen Besuch haben.“ Robyns Stimme klang völlig neutral und David fragte sich unwillkürlich, ob sie ein echter Mensch war oder ein perfekter Roboter.
    „Wenn Sie mich so gut kennen, dann wissen Sie auch, was ich tun muss“, antwortete er.
    „In unserem Metier kann Aberglaube tödlich sein“, antwortete sie, ohne mit dem Tippen aufzuhören. „Ich habe natürlich Ihr emotionales und deshalb auch irrationales Verhalten als Variable in meine Strategie integriert und dementsprechende Vorkehrungen getroffen.“
    „Welche Vorkehrungen sind das?“, fragte David und starrte skeptisch auf das Display, auf dem er das leicht verzerrte Gesicht von Robyn sah, die jetzt kurz aufblickte.
    „Der Weimaraner des TV-Produzenten hat eine Krise! Ein echter Notfall und Sie müssen helfen. Deshalb nehmen Sie erst die Abendmaschine nach Nizza. Schaffen Sie das?“
    „Kein Problem! Was aber, wenn jemand aus Gurbangulys Umfeld in Berlin nachfragt?“, fragte David und sah jetzt nur noch die blonden aufstehenden Haare von Robyn, die sich wieder nach unten gebeugt hatte.
    „Wir haben natürlich eine Rufumleitung installiert und online sieht man Sie den Hund trainieren. Vor zehn Minuten hat der TV-Produzent übrigens auf Facebook ein Foto von Ihnen mit dem Weimaraner gepostet.“
    David stand jetzt vor dem Lift im Parkhaus, die Verbindung wurde schlechter und Robyns Kopf begann sich bereits in einzelne Pixel aufzulösen. Er hörte noch abgehacktes Krächzen