Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
Freaks.“
Mit einer zynisch verkniffenen Miene drehte sich Schneider zu David: „Deshalb bist du auch Müller sympathisch, David.“
11. Saint-Tropez, Frankreich – Villa von Gurbanguly
Erst vom Helikopter aus war die Anlage in ihrer ganzen Ausdehnung zu erkennen. Der französische Botschafter von Dakistan wurde soeben eingeflogen, nachdem er in Nizza Informationen über den „Hundeflüsterer“ eingeholt hatte. Neben der schlossähnlichen, neu erbauten Villa, die auf einem eigens aufgeschütteten Hügel thronte, gab es noch diverse weitläufige Gebäude für die Gäste, einen Golfplatz, mehrere Tennisplätze und natürlich eine eigene Rennbahn für Gurbangulys Hund. Das ganze riesige Areal war Gurbangulys Privatbesitz, von dem das Volk in Dakistan natürlich keine Ahnung hatte. Für das Parlament und die Bevölkerung war Gurbanguly auf Pilgerfahrt im Kaukasus, um in direkten Kontakt mit seinem Gott Zoroaster zu treten. Zu dem gesamten Komplex gehörte auch die ursprüngliche, unter Denkmalschutz stehende Villa, die am Ende einer mit Pinien gesäumten Seitenstraße der pompösen Auffahrt stand. Sie stammte aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und war angeblich von Zelda und F. Scott Fitzgerald während ihres ausgedehnten Riviera-Aufenthalts bewohnt worden.
Seine PR-Berater hatten Gurbanguly vorgeschlagen, sich in Frankreich als Kunst- und Kulturliebhaber zu positionieren, deshalb ließ er seine Gäste auch von einem Schauspieler durch diese Villa führen. Im großen, mit original Art-déco-Möbeln vollgestellten Salon musste der Schauspieler dann im weißen Leinenanzug aus dem „Großen Gatsby“ rezitieren, dazu wurden auf einem Grammophon Swing-Schellacks aus dieser Zeit gespielt. Gurbanguly selbst hatte noch nie in einen Fuß in diese Villa gesetzt und auch von dem Schriftsteller F. Scott Fitzgerald hatte er noch nie etwas gehört.
Viel lieber hielt er sich in seinem neu erbauten Palast auf, der mit über 3.000 Quadratmetern Wohnfläche über genügend Platz für ihn, seine Frauen und seinen Hofstaat verfügte. Am meisten liebte Gurbanguly den großen Salon, einem 500 Quadratmeter großen Raum mit einer vergoldeten kuppelartigen Decke und mit riesigen LED-Schirmen an den Wänden, auf denen in einer Endlosschleife Propagandafilme über Dakistan mit dem „Großen Präsidenten“ Gurbanguly in der Hauptrolle liefen. Die Halle war vollständig mit Marmor ausgekleidet und äußerst exzentrisch möbliert. Unter der goldenen Kuppel war ein roter Kreis in den Boden eingelassen, der eine Fläche von 100 Quadratmetern umfasste. Innerhalb des Kreises befanden sich ein mächtiger goldener Schreibtisch mit einem imposanten Thron und einer Videowand dahinter, auf der man Gurbanguly im offenen Panzerwagen durch die Straßen von Machatschkala an der jubelnden Bevölkerung vorbeifahren sah. Daneben stand noch ein riesiges goldenes Bett mit einem Baldachin in Rot und Gold, den Landesfarben von Dakistan. Außerhalb des roten Kreises gab es keine Möbel, bis auf einen altertümlichen Holzwagen mit Speichenrädern, auf dem ein zerlumptes Rundzelt, eine einheimische Jurte, stand. In diesem Zelt war Gurbanguly geboren worden und bei jeder Fernsehübertragung wurde es ins Bild gekarrt und in alle Dörfer und Städte von Dakistan übertragen.
Als Kind hatte Gurbanguly an einer mysteriösen Infektionskrankheit gelitten, die zur Folge hatte, dass ihm sämtliche Haare ausgefallen waren und nicht mehr nachwuchsen. So gehörte es zu seinem täglichen Ritual, sich mit schwarzer Perücke, schwarzem Schnurrbart, schwarzer Uniform und dunkler Sonnenbrille in den „Großen Präsidenten“ zu verwandeln, um so furchteinflößend seine mehrstündige Ansprache an die Bewohner von Dakistan zu halten. Auch während seines einmonatigen Aufenthalts in Südfrankreich wurden seine Ansprachen ungekürzt mittels Live-Stream nach Dakistan übertragen.
„Wie geht es Ali Baba?“, schnaubte Gurbanguly nach dem zweistündigen Redemarathon und einer seiner Sekretäre, der hinter der zehn Meter von Gurbanguly entfernten roten Linie stand, zuckte furchtsam zusammen.
„Der Saluki frisst nur sehr lustlos, hat aber nicht an Gewicht verloren, Großer Präsident!“, beeilte sich der Sekretär zu betonen und machte nervös einen Ausfallschritt über die Linie nach vorn, um sich hinzuknien. Doch noch ehe er seinen Fuß auf den Boden setzen konnte, verpasste ihm der präsidiale Adjutant, der bisher schweigend neben ihm gestanden hatte, einen
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