Der Hundeknochen
sie gar, und die beiden fielen sich in die Arme mit der Entschlossenheit zweier Hunde, die sich beißen wollen. Als ich den Film sah, dachte ich, ja richtig, das mußte sein.
Auch jetzt war ich Zuschauer, weil ich aber das Vorspiel nicht kannte, das zu diesem Stelldichein geführt hatte, dachte ich diesmal, nein, das mußte nicht sein. Und überrascht stellte ich fest, daß mein alter Schulkamerad Fitti, der bei Oma Fisch immer als letzter zum Fummeln aufgerufen worden war, sich ganz schön gemausert hatte.
Ich blickte in den Rückspiegel, nickte und sagte zu dem Kerl, der mich dort anglotzte: »Mensch, Schlö-hömm, du bist doch das größte Arsch-l-loch zwischen Rhein und Weser.«
10.
Einiges in dem Spiel paßte jetzt zusammen, aber deswegen gefiel es mir nicht besser. Im Gegenteil, die Rolle, die man mir zugedacht hatte, war schlechter als zuvor.
Scheinbar hatte ich den Auftrag, einen ehemaligen Schulkameraden vor gedungenen Mördern zu schützen. In Wirklichkeit jedoch hatte mir dieser gerissene Schulkamerad eine Drecksarbeit aufgehalst. Ich sollte ihm den Weg ebnen, indem ich seinen Geschäftspartner der Polizei ans Messer lieferte.
Selbst wenn Pollex hinterher beweisen konnte, daß er mit dem Unfall auf der Baustelle nichts zu tun hatte, wäre er ein angeschlagener Mann; ein Makel blieb immer haften. Solch ein Mann war leicht aus dem Geschäft zu drängen. Salm würde Alleininhaber der Firma. Und als Beigabe, wie die Kirsche auf der Torte, erhielte mein feiner Auftraggeber noch die Ehefrau des Geschäftspartners.
Ich hingegen, Superermittler Elmar Schlömm Mogge, kriegte ein paar Tausender und durfte mich trollen.
»Sche-heiße!« knurrte ich. »Nicht mit mir!«
Dabei hatte er das nicht einmal dumm eingefädelt, dieser Fitti Salm: In überprüfbaren Punkten war er ehrlich gewesen. Die Information, die Firma solle durch einen Versicherungsbetrug gerettet werden, hatte er nur widerwillig herausgerückt, um nicht gleich als Denunziant seines Partners angesehen zu werden. Dann die unterdrückte Furcht und schließlich die telefonische Warnung, die mir Dampf machen sollte.
Wie gesagt, einiges paßte jetzt. Offen blieb die Frage, ob der Tod des Bauarbeiters ein echter oder ein herbeigeführter Unfall war. Aber das wiederum war nicht meine Angelegenheit. Für mich gab es in diesem Fall nur noch eines zu tun: Ich mußte ein Versprechen einlösen, das ich einem kleinen Jungen gegeben hatte.
Ich fuhr zurück in die Duisburger Innenstadt, zurück zu den Frauen in Kauflaune und den Männern mit Wut in den Augen, weil sie sich natürlich, statt Tragetaschen zu schleppen, jetzt viel lieber mit einer Flasche Bier vor den Fernseher setzen würden.
Ich schob mich an den Drehständern mit den Sonderangeboten vorbei in ein Schuhgeschäft und äußerte meinen Wunsch.
»Was meinen Sie mit Turnschuhen?« fragte die Verkäuferin, ein junges, fülliges Ding mit sehr roten Lippen, wasserblauen Augen und Strubbelkopf.
»Na, eine Sorte von Fußbekleidung«, erläuterte ich.
»Turnschuhe, einfach nur Turnschuhe verlangt man schon seit Jahren nicht mehr«, sagte ihr Schmollmund.
»Ach?«
»Was wir haben, sind Basketballboots, Ringerstiefel, Radlerslipper für die City oder für die Mountains, dann Schuhe für Volleyball, Rugby und Kricket, für Tennis, Squash und Golf.«
Während sie das runterrasselte, nickte sie einem kleinen Mann im Rentenalter zu, der sich ganz offensichtlich in knöchelhohe Leinenschuhe verliebt hatte, die mit Hammer und Sichel und Stern des untergegangenen Sowjetreichs geschmückt waren. Die amerikanische Flagge war anscheinend als Zierde abgemeldet.
»Doch ja, sehr sportlich, frisch und kleidsam«, ermunterte die Verkäuferin den alten Herrn.
Sie kehrte mir den Rücken zu. Indem ich meine Hände auf und nieder bewegte, versuchte ich ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
»Wollen Sie Schwimmflossen?« fragte sie. »Die gibt’s in Sportgeschäften.« Sie steckte einen Finger in den Mund und rieb ihn an den Zähnen. Es waren sehr schöne Zähne.
»Nein, nein, ich wollte damit andeuten, daß ich Schuhe zum Laufen suche«, sagte ich.
»Laufschuhe? Ja, aber was denn für welche? Wollen Sie joggen, sprinten, langlaufen, wandern? Für Indoor oder Outdoor? Mit Shockpoint und Sichtkissen für die Paßformkontrolle und integriertem Energierückgabesystem? Oder wollen Sie nur die ganz einfachen mit abgeschrägter Hacke?«
»Größe 36«, sagte ich lahm.
Der alte Herr stand jetzt vor dem
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