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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Spur.«
    »Wunderst dich über mein Gedächtnis, was? Es ist das gute Erinnerungsvermögen eines Schwächlings, die meist gute Beobachter sind. Du hast in der Klasse zu den Starken gezählt, zu den Anführern. Weißt du eigentlich, daß ich dich bewundert habe?«
    »Willst du, daß ich jetzt rot werde?«
    »Ich denke oft an die kleinen Erlebnisse der Schulzeit, und du?«
    »Nie.«
    »Mensch, Elmar, du warst einer der Favoriten von Oma Fisch, wurdest immer als einer der ersten aufgerufen. Das Aufrufen war das Spannendste, das war wie die Hitparade. Ich war immer bei den letzten, wenn ihre Hose, die sie bei den Spielchen nie auszog, klitschnaß war und ihr Mund nach den Kumpels schmeckte.«
    Er bediente sich aus der Kornflasche, nahm seinen Mantel vom Stuhl und sagte: »Danke, Schlömm, für alles.«
    Ich ließ ihm den Schlömm durchgehen; mittlerweile fand ich den alten Spitznamen gar nicht mehr so blöd: Schlömm Mogge. Ich brachte es auch nicht übers Herz, ihm zu sagen, daß ich mich noch gar nicht entschlossen hatte, seinen Auftrag überhaupt anzunehmen.
    Als ich unten die schwere Fabriktür ins Schloß fallen hörte, schaute ich hinunter. Salm überquerte die Straße und bog dann in eine Seitengasse ein, wo er wohl seinen Wagen abgestellt hatte.
    Ich sah einen Jungen mit einem Skateboard, ich sah einen Motorradfahrer, der seinen Hund auf dem Tank spazierenfuhr, im Schrittempo. Es war einer dieser schweinsköpfigen Pitbull Terrier, weiß mit zwei schwarzen Flecken, die wie eine Motorradbrille die Augen umrandeten. Drollig sah das aus, wenn man nicht wußte, daß diese Kraftpakete gefährlicher sein konnten als eine durchgeladene und entsicherte Pistole.
    Es gab sonst noch allerlei Leute auf der Straße, aber nichts Verdächtiges. Nun, die Killer sahen ja heute auch nicht mehr aus wie früher, die Unfallspezialisten wohl schon mal gar nicht.
    Wie hatte Salm es bei unserem ersten Gespräch in der Kneipe ausgedrückt?: »Mir haben sie den ›grünen Punkt‹ angehängt, ich soll entsorgt werden.«
    Eigentlich gar kein übler Kerl, dieser Fitti, und er hatte Haltung gezeigt. Ich fragte mich nur, ob er mir tatsächlich das letzte Stück seiner Zunge gezeigt hatte.

9.
     
     
     
    Ich hatte meinen abendlichen Fencheltee getrunken und wollte mich gerade mit einem Buch ins Bett legen, als das Telefon klingelte. Mir fiel Salms Frage ein, ob ich ständig zu erreichen sei. Er war anscheinend ein Mensch, der gern alles überprüfte.
    Ich hob also ab und gab meiner Stimme den Tonfall eines Anrufbeantworters: »Guten Tag, hier ist 343593, der Anschluß von Elmar Mogge, leider bin ich außer Haus. Sie können jedoch eine Nachricht hinterlassen – piep!«
    Ich grinste und bereitete mich darauf vor, Salm den kleinen Scherz aufzudecken.
    Einen Moment lang war es absolut still, dann, nach einem Räuspern, ertönte eine Stimme, die verstellt klang und aus einer Telefonzelle zu kommen schien: »Hören Sie gut zu, Mogge! Lassen Sie die Finger von der Sache! Sie werden schon wissen, was gemeint ist. Sie könnten Ärger kriegen.«
    Es wurde eingehängt. Da hatte wohl jemand meinen Scherz durchschaut und sich seinerseits einen Spaß erlaubt, schoß mir als erstes durch den Kopf. Etwas später kamen Zweifel hinzu. Eine echte Drohung? Toll! Das wäre ja meine Premiere. Kollegen von mir kriegten angeblich dauernd Drohanrufe, alle möglichen Frauen wurden fast allabendlich am Telefon sexuell belästigt. Ich hatte mich schon gefragt, ob ich so uninteressant sei, daß sich kein Mensch bei mir die Mühe machte. Und ich hatte mir auch überlegt, wie lässig ich darauf reagieren würde. Und jetzt?
    Nach und nach verschwand mein Grinsen und die beruhigende Wirkung des Fencheltees auch.
    Ich schlief dennoch gut in der Nacht. Um mir selbst zu beweisen, daß telefonische Drohungen mich nicht beeindruckten, füllte ich nach dem Frühstück Salms Blankoscheck aus und machte mich auf den Weg. Irgendwie war ich das mir und meinem Bankkonto schuldig.
    Nachdem ich das Haus verlassen und die Käufermassen in der Innenstadt gesehen hatte, ging mir auf, daß Samstag war. Die Weiterfahrt zur Bank konnte ich mir also sparen.
    Ich fuhr zur Hauptpost und schlug das örtliche Telefonbuch auf. Mein Finger kroch über P wie Pollex. Es gab nur einen, Jörg mit Vornamen. Ich merkte mir die Anschrift und fuhr in Richtung Mülheim.
    Wer glaubt, im Kohlenpott gebe es keine Grünflächen, der irrt gewaltig. Das Grün, in dem Pollex’ Haus im Ortsteil Saarn stand, war

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