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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Bodenspiegel, wippte auf den Fußspitzen, wippte auf den Hacken, die nicht abgeschrägt waren, bewegte ruckartig seine Beine. Irre, wie geschmeidig einige dieser Alten heutzutage waren; bei mir knackte es schon heftig in den Gelenken.
    »Sind die nicht doch eine Ecke zu auffällig, Fräulein?« fragte der Mann in den Spiegel hinein.
    »Ich könnte Ihnen die leuchtfarbenen Schnürsenkel gegen neutral rote tauschen«, lenkte die Verkäuferin ein. Mit diesem Angebot ließ sie den Kunden allein und wandte sich wieder mir zu. Sie senkte ihren geschulten Blick auf meine Füße, sie hob ihn in Gürtelhöhe, ließ ihn klettern und sagte, als sie meine Augen erreichte: »Äh, mindestens Größe 47.«
    »Es soll für einen achtjährigen Jungen sein.«
    Ich bekam meine Schuhe.
    Sie ging mit zur Kasse, und während sie den Kassenzettel schrieb, hatten meine Augen Gelegenheit, sich auf ihren Rundungen auszuruhen. Sie fühlten sich dort so wohl, daß sie gar nicht mehr weg wollten.
    Sie drehte sich um. »Wünschen Sie Pflegemittel? Spezial mit Pumpe ohne Treibgas, von den Umweltministern der Europäischen Union empfohlen?«
    »Ein andermal.« Ich knüllte den Kassenzettel zusammen, doch sie nahm ihn, strich ihn glatt, Ordnung muß sein, faltete ihn und legte ihn in den Schuhkarton. Ihre Augenbrauen hoben sich einen Millimeter, nicht mehr, nicht weniger.
    Der flotte Opa drängelte hinter mir. Er hielt der Verkäuferin seine alten Straßentreter zum Einpacken hin; die Leinenschuhe mit Hammer und Sichel und den leuchtfarbenen Schnürsenkeln hatte er gleich anbehalten.
    Ich machte, daß ich aus der Innenstadt herauskam, und fuhr nach Hause.
    Im Büro drehte ich eine Weile Däumchen und ärgerte mich, daß mir in dem Schuhladen nichts Gescheites eingefallen war. Ich hätte – ach, sie war wirklich viel zu jung für mich. Um mich abzulenken, packte ich die Schuhe für den kleinen Jonni Wieczorek aus. Ich faltete den Kassenzettel auf und fand unter der gedruckten Geschäftsadresse eine handschriftliche Telefonnummer.
    Nach meiner Uhr mußte in einer Stunde Geschäftsschluß sein. Eine weitere halbe Stunde gab ich ihr für den Heimweg, plus zehn Minuten, damit es nicht zu dringend aussah. Ich angelte mir den Telefonapparat schon mal heran, drehte wieder Däumchen und freute mich.

11.
     
     
     
    »Und jetzt denken Sie, das ist so eine, die auf Abenteuer aus ist.«
    »Zunächst denke ich, das ist endlich mal eine, die von sich aus den ersten Schritt macht.«
    »Und wie könnte dann der zweite aussehen?«
    »Wir könnten zusammen essen gehen.«
    »Uff, wie aufregend. Darf ich mal ehrlich sein?«
    »Wenn’s nicht zu grausam ist.«
    »Ich bin schon verabredet.«
    Eine Weile sagte keiner von uns etwas; das hatte sie nun erreicht mit ihrer Ehrlichkeit.
    »He, jetzt machen Sie bestimmt wieder dieses Gesicht wie im Geschäft«, fing sie an.
    »Was war das denn für ein Gesicht?«
    »Das Gesicht von einem, dessen Arbeitstage beschissen waren, und der glaubt, daß das Wochenende noch schlimmer wird.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, ich kenne das Gefühl.«
    »Aha, deshalb haben Sie dieses Programm einer durchgedrehten Verkäuferin abschnurren lassen, deshalb die Telefonnummer auf dem Kassenzettel?«
    »Ich wollte Sie aufmuntern.«
    »Ach, an sich selber haben Sie gar nicht dabei gedacht?«
    »Doooch, auch.«
    Nur zwei Wörter – sie reichten für ein Kribbeln in meinem Magen. »Schön, dann lade ich Sie jetzt ein, mit zur Frau Wieczorek zu kommen, die hat einen Enkel, der sich die Turnschuhe gewünscht hat. Die Familie Wieczorek wohnt in einem großen Haus. Die dicken Wände sind voller Blumen, die Rosen und Balkons und Paradiesvögel sind allerdings nur angemalt. Die Einschußlöcher außen, der Pilzbelag innen und Schimmel und Schwamm sind jedoch echt. Wir geben dem Jungen das Geschenk, und anschließend können wir noch zu einem anderen interessanten Haus gehen, das aus der Gründerzeit stammt und riesige Zimmer hat, weil alle Trennwände herausgerissen wurden. Die Zimmerdecke ist samtschwarz und voller Sterne, die eine Abrißbirne dorthin gezaubert hat. Na, wie klingt das? Sie könnten es sich dort auf dem alten Parkettfußboden gemütlich machen und in den Himmel schauen und mir was über stoßdämpfende Zwischensohlen erzählen.«
    Sie gluckste. »Hoppla, jetzt schnurren Sie aber Ihr Programm ab.«
    »Stimmt. Ich will Sie rumkriegen.«
    Sie schnaufte ganz leise. »Hmm…«
    »Also, ja?«
    »Äh-nein.«
    »Doch, bitte.«
    »Nein, es geht

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