Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
wirklich nicht. Vielleicht später einmal. Sie haben ja meine Telefonnummer.«
    »Sch-hade! Geben Sie mir doch wenigstens noch Ihren Namen!« Ich machte mir erst gar nicht die Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen.
    »Judith«, sagte sie und legte auf.

12.
     
     
     
    Weil ich kein Geschenkpapier hatte, wickelte ich den Schuhkarton in Grillfolie. Ich schaute zum Fenster. Die ersten Regentropfen zogen fingerdicke Schlieren in die ungeputzten Scheiben. War vor Jahren der rostbraune Niederschlag, den der Südwind von der Kupferhütte mitbrachte, der Hauptfeind eines putzunwilligen Mannes, so waren es neuerdings die Tauben, die mir die schrägen Oberlichter verdreckten.
    Beim Hinausgehen tastete ich mit dem Daumen entlang dem Stiefelschaft, wo ich ein Fleischermesser mit Klettverschluß befestigt hatte; eine Routinehandlung, der ich mir kaum mehr bewußt wurde. Ich bin mal eine Zeitlang mit einem Zirkus umhergezogen und habe mir dabei ein paar Fertigkeiten angeeignet.
    Als ich die Haustür aufdrückte, klatschte mir der Wind feuchte Reklamezettel gegen die Hosenbeine. Aus den vereinzelten Tropfen war ein Schauer geworden. Ich zog mir die Jacke über den Kopf und war in zwei Sätzen bei meinem Wagen. Er sprang ohne Murren an.
    Am Bahnhof in der Schlemmerpfanne aß ich eine Portion Schnibbelbohnen, die nirgendwo besser schmeckten, mußte mir aber das Gelaber eines Betrunkenen anhören. Wehmütig dachte ich, daß ich jetzt mit einem Mädchen, das Judith hieß und ein kesses Lachen hatte, in dem indischen Restaurant am Ostausgang speisen könnte. Hühnchen in Marsalasoße, die sich feurig an die Magenwände legte und die Lippen brennen ließ. Womöglich würde uns nach dem Fachgespräch über Sportschuhe noch etwas anderes einfallen.
    Eine Kehrmaschine nahte. Der schwarze Fahrer ließ einen Goldzahn blinken und machte einen übermütigen Schlenker.
    Als die Maschine vorbei war, schnippte der Betrunkene, der mir schon die ganze Zeit ein Gespräch über die Ausländerpolitik der Bundesregierung hatte aufdrängen wollen, seine Kippe in die nasse Schleifspur.
    »Schaufel und Besen genügt denen wohl nicht mehr, die brauchen ‘ne Kehrmaschine, was sagst du, Langer?«
    Ich stieß den Plastikteller in den Abfalleimer und machte, daß ich wegkam, ehe mich die Wut packte. Es lohnte sich nicht. In Wirklichkeit war der Kerl nur ein armes, frustriertes Würstchen, dem Leute, die von echten Problemen ablenken wollten, zuviel Unsinn erzählt hatten.
    Bis auf die Jugendlichen, die vor dem neuen Kinozentrum herumalberten, war die Innenstadt wie ausgestorben. Über Jahrzehnte hatte man den Stadtkernen an Rhein und Ruhr systematisch das Leben ausgetrieben. Dann kam die Besinnung. Zu gern hätten nun die Politiker die Menschen aus den ebenfalls öden Randbezirken zurück ins Zentrum geholt. Kein leichtes Unterfangen, denn wo einst Wohnungen waren, befanden sich heute Banken, Kaufhäuser, Hochgaragen und eben dieses Kinozentrum.
    Im Viertel um den alten Bunker herrschte auch nicht gerade südliches Treiben. Immerhin aber standen in den Eingängen der Kramläden ernsthafte Männer, die rauchten und sich Kettchen mit haselnußgroßen Steinen in die Handflächen floppten.
    Der Regen hatte aufgehört. Ich parkte neben den Gemüsekisten des Arkadas, trat in den Laden und kaufte hausgemachten Joghurt, Honiggebäck und Pistazien.
    Ich legte die Tüte auf den Rücksitz und ließ den Wagen, wo er war. Mein Kombi war kein Schmuckstück, den würde niemand stehlen, aber ich hatte einfach keine Lust, dauernd ein neues Autoradio einzubauen. Vor dem Laden stand er ziemlich sicher. Außerdem konnten mir ein paar Meter zu Fuß nicht schaden. Im Laufen aß ich einen der safttriefenden Kuchen.
    Ein Wagen überholte mich und hielt an einem Grundstück, das in der Häuserzeile wie ein herausgebrochener Zahn wirkte. Allerlei Grünzeug, das man früher mit Unkraut bezeichnet hatte, wuchs dort. Der Fahrer mußte einer von der ganz bequemen Sorte sein. Er öffnete nur die Beifahrertür von innen und ließ einen Hund hinaus. So stellte ich mir das jedenfalls vor, denn sehen konnte ich nichts von dem Hundehalter. Das Innenlicht war nicht aufgeflammt. Aber der Hund hatte sich ja wohl kaum selbst die Tür geöffnet. Es war ein gefleckter Bursche, mittelgroß, der wie ein Blitz auf dem Grundstück verschwand, um dort sein Geschäft zu verrichten.
    Als ich an seinem Platz vorbeiging, vernahm ich ein Geräusch; es war nicht mehr als ein sehr hohes Zischen.

Weitere Kostenlose Bücher