Der Hundeknochen
die Lichtschranke, die Tür schob sich schon zur Seite, als mich ein Zollbeamter mit blonden Bartflusen unter der Stupsnase zurückwinkte.
Er musterte mich von oben bis unten, und ich versuchte dem, was kommen mußte, mit einem freundlichen Nicken aus dem Wege zu gehen. Es klappte nicht. Mein Gesicht versetzt Zöllner schon im Normalzustand in Jagdeifer, der Aufenthalt im Süden hatte es nicht vertrauenswürdiger gemacht, die Schrammen und mein Grinsen auch nicht. Stupsnase nahm Witterung auf.
»Kein Koffer?« fragte er.
»Ohne geht’s schneller.«
»So, so! Meinen Sie?« Er kratzte sich die Mundwinkel und zeigte dann auf das Stück Holz, das, in Klarsichtfolie verpackt, aus meiner Korbtasche ragte. »Was ist das?«
»Hm, Teil von einem Paddel, würde ich sagen, Fichte oder Tanne oder Ahorn könnte es sein, auf keinen Fall Eiche, auch kein Tropenholz.«
»Wieso ein kaputtes Paddel?«
Er wollte meine Meinung, ich gab sie ihm. »Es gibt Leute, die sammeln Briefmarken, andere sammeln meterhohe Pimmel aus Beton, ich sammle kaputte Paddel. Was sammeln Sie?«
Sein Gesicht lief rot an. Er wandte den Kopf zur Seite, rief: »Wolfgang, mal eine Sekunde?«
Er ging um den Metalltisch herum zu einem älteren Kollegen. »Schau mal«, zeigte er ihm das verdächtige Teil.
»Stück Holz«, sagte der Ältere.
»Wolfgang, ehm«, Stupsnase hüstelte, »könnte einer von den ganz Schlauen sein, die auf dreist machen.«
»Wenn du meinst, Sven«, sagte der Ältere unbestimmt.
Sven winkte mich heran. »Bitte durchkommen!«
Als uns die Tür von den Blicken der übrigen Fluggäste abschirmte, sagte er: »Wir haben schon bessere Einfälle gesehen, Hasch in Schokoladenform, Heroin in der Zahnpastatube.« Er schabte seinen Daumennagel über die Oberfläche.
Ich brach das Stück, ohne es aus der Plastikverpackung zu nehmen, über dem Knie in zwei Teile, trat an ihn heran und sagte mit Verschwörerstimme: »Hier, wir teilen uns den Kuchen. Erstklassiger Stoff, durch die Kaffeemühle drehen und in der Pfeife rauchen, ist gut für den Bartwuchs.«
Daraufhin untersuchte der Zöllner Stück für Stück mein Gepäck, von der Seife bis zu den Kondombriefchen, und ebenso gründlich verfuhr er mit meiner Kleidung.
Ich bückte mich. »Wenn Sie sich Gummihandschuhe anziehen, dürfen Sie auch in meine Körperöffnungen eindringen«, säuselte ich.
Zwei Minuten später schlenderte ich hinaus in die Flughafenhalle. Hinter mir glühten die Ohren des Jungen wie Warnlampen am Rollfeld. Da war ich keine Woche außer Landes gewesen und hatte doch schon glatt vergessen, wie tüchtig unsere Zollbeamten waren.
Was hatte mir mein freches Maul eingebracht? Eine Stunde Zeitverlust und einen neuen Feind; aber das war nun mal die Sorte Luxus, die ich mir ab und an leistete.
31.
Das Radio meldete zähflüssigen Verkehr auf der Autobahn zwischen Ratingen und Duisburg-Kaiserberg. Ich nahm die empfohlene Umleitung, geriet auf der Bundesstraße 8 in einen Stau und hatte die Gelegenheit, mich über das immer noch frische Grün der Chausseebäume zu freuen; auf Formentera reifte bereits das Korn.
Die Fahrt von Lohausen in mein Viertel dauerte länger als der Flug. Ich parkte den Wagen, blickte in den graugelben Himmel, fühlte zwischen den Fingerspitzen das gewisse Etwas, sog die vertraute Luft ein, hustete und hatte das Gefühl, wieder zu Hause zu sein. Ich war ganz froh. Dieser unnatürliche Duft nach Pinien und Thymian wäre auf die Dauer nicht auszuhalten gewesen.
Nachdem ich die Bürotür aufgeschlossen hatte, roch ich den abgestandenen Zigarettenqualm. Durch meinen Aufenthalt auf der Insel war mein Geruchssinn geschärft, man konnte aber auch sagen verweichlicht worden. Und noch etwas fiel mir auf. Kurt hatte Licht hinter meinem Bürofenster gesehen, aber jetzt brannte keine einzige Lampe. Nichts deutete auf einen Eindringling hin. Keine aufgeschlitzten Polster, keine herausgerissenen Schubladen, das dreckige Geschirr stand auch noch im Ausguß.
Ich hatte eine Menge Arbeit vor der Brust, aber zuerst kam das Vergnügen. Ich rief Judith an.
32.
Um elf sollte Pollex beerdigt werden. Um zehn betrat ich das Café am alten Waldfriedhof. Es roch nach gebügelten Sargschleifen und Streuselkuchen. Salm saß allein an einem der Tische, die für ganze Trauergemeinden gedacht waren. Er trug einen schwarzen Anzug, ein steifes Hemd und einen unpassenden, zufriedenen Ausdruck im rosigen Gesicht.
Eine Weile belauerten wir uns wie
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