Der Hundeknochen
Straßenköter. Fast zum gleichen Zeitpunkt machten wir den Mund auf.
»Schwamm drüber«, sagte er.
»Schwamm drüber«, sagte ich.
Dann erzählte ich ihm von meinem Ausflug in den Süden, und er berichtete, was er von Pollex’ Tod wußte. Sein Bericht deckte sich mit dem, was ich von Kurt Heisterkamp erfahren hatte.
Es war so:
Salm hatte an dem Tag mit einem Kunden einen Besichtigungstermin auf einer Baustelle im Meidericher Sanierungsgebiet am Bahndamm gehabt. Das Treffen war für drei Uhr nachmittags angesetzt gewesen, schon eine Woche zuvor. Plötzlich rief der Kunde an und wollte den Termin vorziehen, weil er am Nachmittag keine Zeit hatte. Doch Salm befand sich gerade in einer Besprechung mit einem Mann vom Stadtbauamt. Um den wichtigen Kunden nicht zu verärgern, war Pollex zur Baustelle gefahren, und zwar in Salms Mercedes.
»Warum in deinem Wagen?«
»In geschäftlichen Dingen war Pollex ein Mensch mit viel Einfühlungsvermögen. Wenn ich in meinem Jaguar vorfahre, sagte er zu mir, denkt der Kunde doch gleich, wir wollten ihm das Fell über die Ohren ziehen. Damit hatte er ja auch recht; ein Mercedes ist eben neutraler und irgendwie solider. Deshalb nahm er ihn.«
Salm zupfte an seinen Manschetten. »War ja wohl mein Glück. Der Unfallspezialist wird wohl von meinem Termin gewußt haben. Als Pollex dann aus meinem Wagen ausstieg, muß die Sache für den Killer klar gewesen sein. Er brauchte das Eisengeländer nur noch im richtigen Augenblick unter Strom zu setzen.«
»Die Polizei hält es für einen Unfall.«
»Was nur ein Beweis dafür ist, daß es sich bei dem Killer um einen absoluten Fachmann handelt.«
Salm hatte die Manschette auf die gewünschte Länge gebracht. »Elmar, vielleicht hätte ich dich als alten Kumpel gar nicht behelligen dürfen. Vergiß es! Schulde ich dir noch was?«
Der Kellner kam mit einem Silbertablett, streifte meine bollerige Hose mit einem Seitenblick und zentrierte die Blumenvase mit der einzelnen Nelke.
Ich schwenkte den Teebeutel hin und her, damit das Wasser in der Kanne wenigstens Farbe annahm, und sagte: »Die dreitausend von dem Scheck – ich habe ja bisher nicht allzu viel dafür getan – nun, die verrechne ich mit dem Honorar für die kommende Arbeit.«
Das mit dem Scheck sei in Ordnung, meinte Salm, während er in seinem Kaffee rührte. »Aber wieso Anzahlung auf kommende Arbeit? Meine Probleme sind doch nun aus der Welt.«
»Ach ja?«
»Also, ich sehe das so: Pollex ist tot.« Er senkte die Stimme, obwohl der Tod in dieser Umgebung ja das Thema Nummer eins war. »Die Gangster haben für ihr Mordgeld jemanden umgelegt. Punkt. Daß sie mit Pollex auch den Auftraggeber erwischt haben, ist ein zusätzlicher Vorteil für mich. Nun, da mein Geschäftspartner den Schirm zugeklappt hat, gibt es niemanden mehr, der mir nach dem Leben trachtet.«
»Einen Augenblick mal, Fitti!« Ich packte Sahne auf den trockenen Kuchen. »Du hast eben was von Freundschaft erwähnt. Es gibt nicht viele Wörter, die mir was bedeuten, aber das Wort Freundschaft gehört dazu. Als du anfangs mit dieser Geschichte von den Unfallspezialisten zu mir kamst, hielt ich dich zunächst für einen Sprücheklopfer, Streuer sagten wir in der Schule. Später glaubte ich, du würdest unter Verfolgungswahn leiden.«
Die dritte Version, daß ich angenommen hatte, er wolle mich ausnützen, verschwieg ich. Darüber nicht zu sprechen, war meiner Meinung nach das beste, für beide von uns.
»Inzwischen ist einiges passiert, mir unter anderem auch, und ich habe mich ein wenig in das Thema Auftragsmord hineingekniet. Nach all dem, was ich gelesen und von dir gehört habe, bin ich ziemlich davon überzeugt, daß die Gefahr für dich keineswegs vorbei ist. Der Killer lauert noch auf dich, das nächste Mal mit dem Foto von dir in der Hand, um ganz sicher zu gehen, daß kein weiterer Irrtum passiert.«
Salm fingerte eine Zigarette aus der Packung, ließ das goldene Feuerzeug klicken. Nach dem ersten Zug sagte er: »Entschuldige«, und bot mir eine an.
»Nein, danke, bis jetzt bin ich noch nicht rückfällig geworden.« Ich schob die Schachtel zurück. »Paß auf, daß der Mann, der auf der Baustelle umgekommen ist, der Auftraggeber war, weiß der Killer nicht, nein, kann er gar nicht wissen, weil sein Auftraggeber ein Syndikat ist, eine Firma, wenn du so willst. Das einzige, was der Unfallspezialist hat, sind Name und Bild und Gewohnheiten des Opfers, dein Name, dein Bild, deine Gewohnheiten. Daß
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