Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
Auto.
     
     
    Karla hatte gerade den Sack mit den Kätzchen in ihren Mehari gelegt, als sich ein Polizeiwagen näherte, nicht gerade in voller Fahrt, aber auch nicht so langsam wie sonst üblich. Karla hatte mir gesagt, daß die Ordnungshüter normalerweise erst nach Stunden am Tatort erschienen.
    Die Beifahrertür sprang auf, und der Zivilgardist mit den kantigen Augen kam auf uns zu.
    Er sprach mit Karla. Eine Anzeige läge vor, ein Wurf junger Rassekatzen sei von der Finca des Professors Baldus gestohlen worden. Karla erzählte ihre Version. Anscheinend glaubte ihr der Zivilgardist; aber da wäre noch was, sagte er, ein deutscher Tourist hätte einen Inselbewohner niedergestochen. Auch darauf wußte Karla etwas zu erwidern, nämlich, daß ich gerade dabei gewesen wäre, den Vergaser ihres Autos einzustellen, als ich angriffen wurde.
    »Bueno«, sagte der Kantige, aber ich solle trotzdem mal einsteigen, man müsse auf der Wache meine Papiere überprüfen. Karla wollte mitkommen, durfte aber nicht.
    Der Zivilgardist und sein Kollege verhielten sich durchaus korrekt. Fast zu korrekt. Alles ging sehr langsam. Anfragen hier und dort, Unterbrechungen durch Telefongespräche, und so wurde es Abend, bis sich herausstellte, daß mein Ausweis in Ordnung war und daß auch international nichts gegen mich vorlag.
    Ganz zum Schluß wurde offenbar, daß der Zivilgardist ausgezeichnet deutsch sprach. Er sagte: »Dies ist eine kleine friedliche Ferieninsel, wir mögen keine Besucher, die Streit anfangen und auch nicht solche, die fremde Grundstücke betreten.« Dagegen war nichts einzuwenden, auch nichts gegen seine Frage, wann ich die friedliche Insel denn zu verlassen gedächte.
    »Morgen in aller Frühe.«
    »Muy bien, sehr gut.«
    Ich fragte, ob er mir ein Taxi rufen könne, und er tat es. Danach saß er mit verschränkten Armen in seinem schäbigen Sessel, im Rücken ein gerahmtes Foto des Königs, vor sich auf dem Schreibtisch ein spanisches Fähnchen, und machte ganz den Eindruck eines Mann, der seine Arbeit verrichtete und damit zufrieden war.
    »Ihr Taxi, mein Herr«, sagte er, als vor dem Eingang der Wache ein Auto hielt.
    Ich nannte dem Taxifahrer den Namen meines Hotels.
    Auf der Landstraße, einen Kilometer hinter dem Ortsausgang, überholte uns ein großes geländegängiges Auto. Durch Blinkzeichen machte es klar, daß wir anhalten sollten. In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. Zu spät.
    Zwei Männer stiegen aus. Einer öffnete meine Tür, der andere sprach mit dem Taxifahrer, der sich zu mir umdrehte, etwas von »Amigos« murmelte, sein Fahrgeld kassierte und davonfuhr.
    Ich sah die roten Rücklichter hinter der nächsten Kurve verschwinden und wußte, daß ich mit Hilfe nicht rechnen konnte.
    Die beiden drängten mich auf den Rücksitz des Geländewagens, wo schon jemand saß, der mir einen harten Gegenstand in die Seite drückte.
    Es wurde eine schweigsame Fahrt, und sie dauerte recht lange.
    Nach einer Weile hatte ich das Gefühl, daß wir dieselbe Strecke zurücklegten, die ich heute im Tageslicht mit Karla gefahren war.
    Die Straße stieg leicht, aber stetig an. Durch das Seitenfenster sah ich die Lichter weit entfernter Häuser, doch auch die verschwanden. Dunkelheit ringsum, selbst Mond und Sterne waren von Wolken verdeckt.
    Der Wagen verließ die Asphaltstraße. Wir holperten über einen Waldweg, und mir fiel ein, was Karla vom spanischen Bürgerkrieg erzählt hatte: Am meisten Angst hatten die Leute davor, nachts von Unbekannten zu einem ›paseo‹, einem Spaziergang, abgeholt zu werden – weil es für viele dann der letzte ihres Lebens wurde.
    Der Wagen hielt.
    »Sie machen gern Fotos?«
    »Wie jeder Tourist.«
    Eine Hand griff in meinen Nacken, riß meinen Kopf nach hinten, gleichzeitig schlug mir der Mann auf dem Beifahrersitz mit dem Handrücken ins Gesicht.
    »Aber Sie machen besonders gern welche von Baustellen in Naturschutzgebieten. Das trifft sich gut, wir sind hier in einem Naturschutzgebiet. Sie können aussteigen. Gute Nacht – und schöne Grüße von Maikel.«
    Ich öffnete die Tür. Ich roch die salzhaltige Luft, hörte entferntes Grollen. Wir waren ganz dicht am Meer. Irgendwo hinter den Büschen, die ich schemenhaft ausmachte, ging es hundert Meter steil abwärts. Ich steckte in der Falle.
    Als ich meine Füße auf den Erdboden setzte, vernahm ich hinter mir ein metallisches Klicken; eine Waffe wurde durchgeladen und entsichert. Ich rannte los, in die dunkle Nacht hinein,

Weitere Kostenlose Bücher