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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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dich hindurch. Aber anders könnte man es wohl nicht aushalten auf einer Insel, die an der schmalsten Stelle nur zweitausend Schritte breit ist. Wenn mir die Enge aufs Gemüt geht, verschwinde ich für eine Weile. Doch kaum bin ich weg, sehne ich mich nach diesem Licht, dem Meer, den Stränden und auch nach den Leuten, diesen Spinnern und Tagedieben und diesen Formenterensern, die gleichmütig sind und nie Fragen stellen.«
    Sie sprach von der Insel wie ich manchmal vom Ruhrgebiet. Längst hatten wir das menschenleere Kap verlassen und befanden uns auf dem Weg nach La Sabina. Ich wollte mich nach den Abfahrtszeiten der Fähren erkundigen.
    »Du willst weg? Wann?« fragte sie mit seltsamer Stimme.
    Ich sagte ihr, daß dies mein letzter Tag auf der Insel sei.
    »Scheißkerl«, meinte sie.
    Als ich von dem Ticketschalter zurückkam, sah ich die drei Jungen, die auf den Mehari zugingen, der auf dem Parkplatz am westlichen Ende der Mole stand. Zwei von ihnen trugen einen Sack zwischen sich, in dem es zappelte. Schon von weitem sah ich Karlas weit aufgerissene Augen.
    »Sie wollen sie ertränken!« rief sie. »O Gott, mach was!«

28.
     
     
     
    Ich verstand ihr Spanisch nicht, kriegte aber mit, worum es ging.
    Stockend, um Worte ringend, erklärte Karla den drei Typen, wie grausam ihr Vorhaben sei; die Kätzchen würden noch viele Minuten leben und leiden, bis ihre Lungen voller Wasser wären. Daraufhin sagte einer von ihnen, der einen Ohrring trug, sie könne die Katzen ja freikaufen.
    Karla antwortete und übersetzte: »Ich habe schon vier im Haus, und ein weiteres Dutzend kommt jeden Tag zum Fressen.«
    Der mit dem Ohrring griff in den Sack, holte ein Kätzchen hervor, eine Siammischung mit schwarzem Köpfchen und blauen Augen.
    »Mil pesetas, si o no?«
    Das brauchte mir niemand zu übersetzen. Ich stand da, sprachlos und tatenlos und kam mir ziemlich mies vor. Aber was sollte ich machen, es war nicht meine Angelegenheit. Karlas Kinn zitterte, auch sie sagte nichts.
    Mit einer Bewegung, so schnell und geübt wie ein Bauarbeiter eine Bierflasche öffnet, drehte der Ohrringtyp dem Kätzchen den Kopf um. Die kleine rosa Zunge erschien, die Zähne bleckten, doch es kam kein Schrei.
    Achtlos warf er das tote Kätzchen in einen Müllbehälter. Seine Kumpane klatschten Beifall.
    Dann griff der mit dem Ohrring ein weiteres Mal in den Sack.
    »Basta!« rief ich. Man soll Erpressungen nicht nachgeben, ich weiß, aber es kommt eben immer auf die Situation an. Ich faßte in meine Hosentasche. Doch der mit dem Ohrring mußte mich falsch verstanden haben. Ebenso schnell wie er dem Kätzchen das Genick gebrochen hatte, gab er mir einen Faustschlag ins Gesicht. Ich schmeckte mein Blut. Ein guter Treffer, doch schmerzhafter, weil entwürdigend, empfand ich die Fußtritte, die mich von hinten trafen.
    »Hör zu, du tierliebender Tourist«, sagte einer der Kumpane auf deutsch und sehr betont, »das sind Maikels Katzen, und mit Maikels Katzen macht Maikel, was er zu tun gedenkt. Kapiert?«
    Ich ahnte, was jetzt kommen würde, und dachte an mein Messer, das zu Hause lag, weil ich es nicht durch den Piepser am Flughafen gekriegt hätte. Und außerdem sollten Deutsche nicht bewaffnet ins Ausland reisen.
    Maikel holte zu einem zweiten Schlag aus. Doch diesmal war ich etwas besser vorbereitet. Ich kriegte meine Hand rechtzeitig aus der Hosentasche, machte sie zur Faust und deckte mein Gesicht ab. Die zur Abwehr erhobene andere Hand und mein geduckter Kopf drückten Angst aus, eine Haltung, die gewisse Typen zu noch mehr Aggressivität ermuntert.
    Er grinste, schlug erneut zu und traf meine Deckung. Das Grinsen verschwand, sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske.
    In seiner Faust, die auf meinen Kopf gezielt hatte, steckte nun etwas. Es war einer dieser kurzen Schraubenzieher mit dickem Plastikgriff, die wunderbar in der Hand liegen und nur ein paar Zentimeter zwischen den Fingern herausschauen. Der Kerl starrte auf das Werkzeug, als sähe er zum ersten Mal in seinem Leben einen Schraubenzieher. Er begann seine Hand zu schütteln, wie ein Kätzchen seine Pfote schüttelt, nachdem es in eine Pfütze getreten ist.
    »Sag ihm«, wandte ich mich an Karla, »er könne den Schraubenzieher behalten, ich hätte noch andere.«
    »Puede quedarse con ese destornillador, el tiene otros«, übersetzte Karla.
    Ich steckte die Hände wieder in die Hosentaschen und hoffte auf die Wirkung meiner Worte.
    Gestützt von seinen Kumpanen wankte Maikel zu einem

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