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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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er beim erstenmal versagt hat, macht die Lage für dich, genaugenommen, noch gefährlicher. Denn beim nächsten Anschlag wird er um so gewissenhafter vorgehen.«
    »Berufsehre?« zweifelte Salm.
    »Das hat mit Berufsehre nichts zu tun, vielmehr damit, daß er sonst keinen Auftrag mehr von dem Syndikat erhält. Und mit dem Syndikat verhält es sich ebenso. Das ist ein Dienstleistungsunternehmen, und wie jedes Unternehmen mag es keine Reklamationen, weil die das Geschäft schädigen; und wie jedes Unternehmen ist es deshalb bestrebt, Pannen auszubügeln. Auf den Punkt gebracht: Die sind es ihrem guten Ruf schuldig, auf deinen Fersen zu bleiben, dich zu erwischen.«
    Salms Gesicht war so weiß wie das Tischtuch. »Das ist ja Wahnsinn!« keuchte er.
    »Nein, das ist Methode, das ist System, das ist unsere Gesellschaft. Warum sollte das Verbrechen anders organisiert sein als ein mittlerer Handwerksbetrieb, warum schlechter?«
    Die Frage hing so in der Luft. Salm schien ihr nachzulauschen oder aber der Trauermusik, die durch den Raum kroch. Die Lautsprecher standen dezent hinter Kübeln mit Lorbeerbäumchen. Als die Zigarettenglut Salms nikotingelbe Finger erreichte, zuckte er zusammen.
    »Weißt du, wer das ist, der hinter mir her ist? Könnte es einer der Arbeiter sein?«
    »Sagen wir mal, ich habe so etwas wie eine Spur.«
    »Wann? Was meinst du?«
    »Keine Ahnung, aber nach dem Fehlschlag werden sie dich zunächst einmal in Ruhe lassen.«
    »Ruhe ist gut.« Er lachte bitter. »Was soll ich tun?«
    »Auf keinen Fall abhauen, sonst hast du obendrein noch einen Versicherungsdetektiv und V-Leute der Kripo am Hals, wegen der Million.«
    »Was soll das?« fragte er beleidigt. »Das Versicherungsgeld gehört doch der Firma.«
    »Eben, ich meine ja auch bloß.« Ich trank einen Schluck Tee, der schlecht war, obwohl man aus dem Duisburger Wasser einen sehr guten Tee machen kann, und sagte über den Tassenrand: »Daß wir uns kennen, Fitti, muß nicht unbedingt ein Vorteil für dich sein. Wende dich an eine große Personenschutzfirma, die genug Leute hat, um dein Haus zu bewachen und um dir zusätzlich noch einen Leibwächter zu stellen. Ich bin allein.«
    Eine Schar schwarzer Vögel ließ sich am gedeckten Nebentisch nieder, pickte Streuselkuchen und leistete Trauerarbeit: »… ja, ja, viel zu früh… wer hätte das gedacht… und so ein guter Mensch, Vater und Gatte… ja, ja, ja, nur Arbeit und Sorgen… ja, ja, aber das Leben geht weiter, muß ja… für mich auch ein Schnäpsken, ja, ja…«
    Ich stand auf. »Kannst es dir noch überlegen.«
    Mit der Geste, die ich schon kannte, holte Salm sein Scheckbuch hervor. Wieder ließ er den Betrag offen. Er hatte seinen Stil, das mußte man ihm lassen.
    »Trag mal fünftausend ein, damit ich nicht in Versuchung komme, mich teurer zu verkaufen«, sagte ich. »Auch für mich wird’s kein Spaziergang. Das Honorar ist für eine Woche, danach sehen wir weiter. Erfolg kann ich dir nicht garantieren, nur, daß ich diesmal nicht lockerlasse.«
    Er blickte zu der Wanduhr über der Kuchentheke und knautschte eine Ecke der Tischdecke. Sein Händedruck war dennoch feucht, aber überraschend fest.
    »Es wird Zeit«, sagte er und fügte ungewohnt sarkastisch hinzu: »Im Anschluß an die Beerdigung muß ich vor den Firmenangehörigen eine Leichenrede halten. Hast mich ja in die richtige Stimmung gebracht, Schlömm.«

33.
     
     
     
    »Dafür, daß Sie fast eine Woche in der Sonne waren, sehen Sie verdammt schlecht aus«, sagte Judith. Die jungen Dinger hatten so ihre eigene Art zu schmeicheln.
    »Wo du auch hingehst«, sprach ich weise, »der Ärger holt dich ein.«
    »Ärger mit Bauern und Fischern auf Formentera?«
    »Mit den Landsleuten. Auf einen Fischer fallen dort, so würde der Statistiker sagen, drei Dichter, vier Maler, fünf Geschäftemacher und fünfzig Touristen, meist deutsche – ein ungesundes Verhältnis.«
    »Hängt Ihr Ärger mit der Schwarzhaarigen in dem Wagen vor uns zusammen?« wollte sie wissen.
    Ich nickte.
    Wenn man von jemanden die Telefonnummer hat, ist es heutzutage ja nicht schwer, die Adresse herauszufinden, der Rest ist dann Routine. Daß Judith auf dem Beifahrersitz saß, machte die Routine angenehmer und die Beschattung einfacher. Merkwürdigerweise fallen zwei Menschen weniger auf als einer, zudem können sie sich die Aufgaben teilen.
    Und sie können sich beim Warten die Zeit vertreiben. Ich bot ihr an, mich zu duzen, doch das wollte sie nicht. »Sie zu

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