Der Hundeknochen
auf dem Riffelblech, das ich von meinem Mittelmeerausflug mitgebracht hatte. Mit einer Knoblauchzehe rieb ich die heiße Kruste und mit einer Tomate die Schnittfläche ein, träufelte reichlich Olivenöl von der dicken, grünlichen, kaltgepreßten Sorte darüber, zum Schluß etwas Salz. Fertig, so wie ich es von Karla gelernt hatte. Kein Käse, keine Salami, kein Schnickschnack, dazu kalten Kakao aus der Flasche.
Nach dem Frühstück hätte ich mich am liebsten wieder aufs Bett gehauen. Leider hatte ich so viel zu erledigen, daß ich gar nicht wußte, womit ich anfangen sollte. Das Chaos um mich herum mußte warten, es gab Wichtigeres zu tun. Auf einem Blatt Papier kritzelte ich ein halbes Dutzend Namen, verband die Namen mit Strichen, versah diese mit einigen Ausrufungs- und mit vielen Fragezeichen.
Ich wählte die Nummer der Prosegura Assekuranz und fragte Wegener rundheraus, wie es mit einer Provision aussähe, wenn ich Beweise für einen Versicherungsschwindel liefern würde.
»Das kann nur der Vorstand entscheiden.«
»Dann sage den Herren in Nadelstreifen auch gleich, daß ich es unter zwanzig Prozent nicht mache. Mit viel Lob und Kleingeld lasse ich mich diesmal nicht abspeisen.«
»Wie hoch ist die V-Summe?«
»Eine Million, also zweihunderttausend Mäuse für mich, keine weniger.«
Das entlockte ihm einen Pfiff. »Zweihundert Mille für eine Information?«
»Ich riskiere meine Leben, zumindest meine Gesundheit. Allein ein neues Gebiß kostet heute schon fast die Hälfte.«
»Läuft die Versicherung auf eine Privatperson oder auf eine Firma?«
Ich schnaufte: »Frag die Herren vom Vorstand nur grundsätzlich, und denk dran – zwanzig Prozent! Ich melde mich wieder.«
Nächste Telefonnummer. Frau Schubert erkannte meine Stimme und wollte mich rasch zu Salm durchstellen. Ich überfiel sie mit drei Fragen auf einmal. Erste: Warum der alte Kranführer noch immer auf der Angestelltenliste stand, obwohl er nicht mehr zur Firma gehörte. Zweite: Warum die Marokkaner und andere Hilfskräfte nicht in der Liste geführt wurden. Dritte: Wer die Springer angefordert habe.
Als sie murrte, das könne, dürfe, möchte sie nicht sagen, legte ich nach: »Oder wollen Sie die Fragen lieber der Kripo beantworten?«
Daraufhin wurde sie gesprächiger. Die erste Frage entschuldigte sie mit Vergeßlichkeit, die zweite hänge damit zusammen, daß die Hilfskräfte in den Lohnlisten eines Subunternehmens geführt würden, die dritte konnte sie angeblich wirklich nicht beantworten.
»Springer? Springer?« wiederholte sie, als höre sie das Wort zum erstenmal in ihrem Leben.
»Ja, so nennt man Leute, die für andere einspringen. Und nun die Adresse von dem alten Kranführer!« herrschte ich sie an.
So, das Verhältnis war geklärt.
Ich fand Horst Gehrke in einer Spielhalle schräg gegenüber der Mietskaserne, in der er wohnte. Er war ein Männchen mit viel zu großem Kopf auf schmalen Schultern und kurzen Beinen, die nicht einmal bis zu den Sprossen des Hockers reichten, auf dem er saß. Auf einem zweiten Hocker neben ihm standen ein Aschenbecher mit glimmenden Kippen, eine Zigarrenkiste voller Münzen und eine Cola-Flasche mit verdächtig hellem Inhalt. Gehrke hatte sich in der Spielothek wohnlich eingerichtet.
Mit regloser Miene bediente er die Knöpfe des Automaten. Ich postierte mich ans Nachbargerät, und nach einer Weile kamen wir ins Gespräch.
Er war froh, aus den Klauen seiner keifenden Alten entkommen zu sein. Als er noch arbeitete, hatte er seine Zarte, wie er sie nannte, nur drei Stunden am Tag um sich gehabt, genauer gesagt neben sich auf der Couch vor laufendem Fernseher, was die Situation milderte, weil niemand etwas zu sagen brauchte. Damals hatten sie sich auch noch gut verstanden. Aus. Vorbei. Seit er arbeitslos war oder freigestellt, wie es hieß, stand er seiner Frau nur noch im Wege. Aber deswegen wieder auf Maloche gehen, das wollte er auch nicht. Die vielen Eisensprossen am Kran hochklettern, bei Wind und Wetter, dann in dem Kasten hocken, wo es entweder zu kalt war oder ihm die Sonne auf die Birne knallte und keiner zum Quatschen in der Nähe war.
»Nee, Chef, Schwielen am Hintern vom dauernden Sitzen und kein Platz, um die Beine zu vertreten«, beklagte er sich im nachhinein bei mir, als hätte er einen Gewerkschaftsfunktionär vor sich. Unterdessen saß er wie angenietet auf dem Hocker, ließ die kurzen Beine baumeln und steuerte ein kickboxendes Kampfweib durch einen Irrgarten voller
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